Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Lage letztes Jahr verdammt kritisch – genau so wie auch die vorangegangenen fünf oder sechs Jahre, wenn man den ganzen Dreck glaubt, den diese beiden fiesen, verantwortungslosen jungen Strolche von der Washington Post unter dem Teppich hervorgekehrt haben.
»Impeachment« [Amtsenthebung] ist ein hässliches Wort, heißt es immer. Shana Alexander, Kolumnistin bei Newsweek erklärt: »Bis auf diejenigen mit einer Aasgeiermentalität wollen doch alle glauben, dass er völlig ahnungslos war.« Eine Woche zuvor hatte Ms. Alexander noch einen »Liebesbrief« an Martha Mitchell verfasst und darin geschrieben: »Sie stehen in der glorreichen Tradition der amerikanischen Frau und stellen sich schützend vor Ihr Land, Ihre Flagge … und vor allem stellen Sie sich vor Ihren Mann.«
Nun ja … da kommen mir ja fast die Tränen … und wie steht Pat Nixon nun da, die anscheinend unter falschem Namen eine Kreuzfahrt rund um den Globus antrat – genau an dem Tag, als McCord die Reißleine zog und Richter Sirica seinen verhängnisvollen Brief schrieb.
Die Presse – und speziell Newsweek – ist dieser Tage voller senilem Geseire. Stewart Aslop bricht jeden Morgen der Angstschweiß aus bei dem Gedanken, dass der Kongress gezwungen sein könnte, »den Präsidenten« seines Amtes zu entheben.
Dem kann man die Worte Hubert Humphreys entgegenhalten, der im November letzten Jahres im Rahmen seiner viereinhalb Stunden dauernden Unterstützungskampagne für den demokratischen Kandidaten George McGovern kurz vor Ende des Präsidentschaftsrennens neun Reden hielt und dabei – soweit ich mich erinnere – vor einer Versammlung von Arbeitern in S. F. erklärte: »Meine Freunde, wir reden nicht von der Wiederwahl des Präsidenten, wir reden von der Wiederwahl Richard Nixons.«
Selbst ein blindes Huhn findet mal einen Korn. Gerade scheppert Humphreys Stimme aus dem Radio und verlangt, dass wir dieser schmutzigen Watergate-Affäre rückhaltlos auf den Grund gehen , während wir gleichzeitig den Russen gegenüber den Eindruck erwecken müssen, dass wir wie ein Mann hinter unserem Präsidenten stehen.
Ganz genau. Vorzugsweise so weit hinter ihm, wie es nur irgendwie geht, wenn man die Bannerträger der GOP wie B. Goldwater und Hugh Scott auch nur entfernt als Indiz dafür betrachten kann, wie stark der Rückhalt der Partei für diesen verängstigten, prinzipienlosen kleinen Winkeladvokaten ist, den sie noch vor zehn Monaten bei seiner feierlichen Wiedernominierung in Miami als »einen der größten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte« bezeichnet haben. Die Aufzeichnungen davon müssen unbedingt für die Nachwelt erhalten werden, denn es ist unwahrscheinlich, dass wir jemals wieder etwas von ähnlichem Kaliber zu hören bekommen – weder von Scott noch von Goldwater, John »Duke« Wayne, Sammy Davis, Senator Percy oder irgendwem sonst. Nicht mal George Meany lässt sich dieser Tage auf eine Viererrunde Golf mit Richard Nixon ein. Vorbei sind die Tage, als die ehrwürdigen Flure des Weißen Hauses widerhallten vom Klang fröhlich umherkullernder Golfbälle. Oder Footballs, mindestens genau so wichtig … oder irgendwas anderem.
Die knallharten Topkräfte, die Nixon angeheuert hatte, damit sie in unserem Auftrag dieses Land regieren, sind sich bereits beim ersten Anzeichen von Ärger gegenseitig an die Gurgel gegangen wie die Ratten bei einem Brand in den Slums. Was wir in den letzten paar Wochen miterleben durften, ist das Schauspiel eines Präsidenten, der seine gekauften Helfer und Kumpane – all die Leute, die ihn in auf diesen Posten gehievt haben – entweder selber hektisch feuert oder schnell noch von ihnen verlassen wird und nun, wo er alleine dasteht, eine völlig hilflose Figur abgibt. Einige seiner engsten »Freunde« und Berater werden demnächst hinter Gittern landen, der zuvor hilflose demokratische Block im Kongress steht kurz vor der Meuterei, das bedrohliche Szenario eines Amtsenthebungsverfahrens wird mit jedem Tag wahrscheinlicher, und für den von ihm so ersehnten »Eintrag in die Geschichtsbücher« rühren derzeit die Historiker in Harvard eine besonders ätzende Tinte zusammen.
Es ist gerade mal sechs Monate her, da war Richard Nixon ein zweiter Zeus, der Brandbomben oder Scheißeregen über Freund wie Feind herniedergehen ließ – der mächtigste Mann der Welt, jedenfalls für eine Weile. Doch all das ist jetzt vorbei, und er kann nicht das Geringste tun, um auch nur einen Hauch davon wieder
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