Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
als Duke wirkt er nahezu besessen von kleinsten Details der täglich stattfindenden Anhörungen … Und was aus diesem Memo ebenfalls zweifelsfrei hervorgeht, ist die Tatsache, dass Dr. Thompson (trotz aller physischer und medizinischer Hemmnisse, so die Aussagen seiner behandelnden Ärzte) einen regelmäßigen Kontakt mit seinen Gefährten aus dem Wahlkampf, Tim Crouse und Ralph Steadman, unterhalten hat. Eine Rechnung des Watergate Hotel, die erst gestern hier einging, besagt, dass jemand unter den Namen »Thompson, Steadman & Crouse« eine Suite im obersten Stockwerk mit Blick auf den Fluss reserviert hat … vier Wand an Wand gelegene Zimmer zu 277 Dollar pro Tag, plus diverse Ausstattungsextras und unbegrenzte Inanspruchnahme sämtlicher Dienstleistungen des Hotels.
Selbstverständlich werden wir … doch warum jetzt darauf herumreiten? Die blöden Arschgeigen sind schon vor Ort, und irgendwas wird garantiert herauskommen. Das Geschachere heben wir uns eben für später auf …
– die Herausgeber
DUKES MEMO Nr. 9, 2. JULI 1973
Sehr geehrte Herren,
dieses Memo soll meine bereits früher geäußerten Warnungen bestätigen bezüglich des bedenklich instabilen Zustands von Dr. Thompson, dessen letzte Verlautbarungen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er sich nach wie vor als innenpolitischen Redakteur des Rolling Stone betrachtet – und in dieser Eigenschaft hat er Vorkehrungen getroffen, um gleich nach seiner Entlassung von Miami nach Washington zu fliegen, um dort die »Berichterstattung« von den verbleibenden Sitzungen des Watergate-Untersuchungsausschusses »in die Hand zu nehmen«. Ich habe keine Ahnung, was er mit »Berichterstattung« meint – doch ein Telefonat mit seinen Ärzten letzte Nacht machte mich stutzig. Er wird Ende der Woche die Dekompressionskammer verlassen und anscheinend sprach er davon, »Berichterstattung bis zur Schmerzgrenze« betreiben zu wollen. Nach Aussagen der Ärzte kann man mit ihm lediglich über handgeschriebene Zettel kommunizieren, die man an die Scheibe der Dekompressionskammer hält – doch ich habe den Verdacht, dass er da drin über ein Telefon verfügt, denn es ist ihm offensichtlich gelungen, einen regen Kontakt zu Crouse, Steadman, Mankiewicz und diversen anderen zu pflegen. Jemand, auf den die Beschreibung von Crouse passt, wurde letzten Montag gegen 3 Uhr 30 in der Nähe der Kammer gesehen … und ein Anruf bei Steadmans Agent in London ergab, dass Ralph sein Refugium in Südfrankreich verlassen hat und für einen Flug von Paris nach Washington am nächsten Donnerstag gebucht ist – einen Tag vor Thompsons Entlassung.
Mankiewicz streitet wie üblich alles ab, aber ich habe mich gestern mit Sam Brown aus Denver unterhalten, der mir erklärte, es werde in Washington darüber getuschelt, dass Frank »sich total nervös aufführt« und außerdem Wild Turkey gleich »kistenweise« bei Chevy Chase Liquors bestellt. Das ist in meinen Augen ein Indiz dafür, dass Frank etwas weiß. Vermutlich hat er mit Crouse Kontakt gehabt, was ich aber nicht bestätigen kann, weil Tim nicht unter seiner Nummer in Boston zu erreichen ist.
Dr. Squane, der Spezialist für Taucherkrankheit in Miami, erklärt, Thompson sei »hinreichend rational« – was immer das bedeutet – und dass es keinen Grund gibt, ihn über nächsten Freitag hinaus in der Kammer zu behalten. Mein beharrliches Drängen darauf, ihn unmittelbar nach seiner Entlassung nach Colorado zurückzubringen – und sei es unter Bewachung –, wurde in Miami nicht ernst genommen. Die Rechnung für seinen Aufenthalt in der Kammer beläuft sich – wie Sie mittlerweile wissen – auf über 3000 Dollar, und sie sind nicht scharf darauf, ihn länger als absolut notwendig weiter dazubehalten. Während meines Gesprächs mit Dr. Squane gestern Abend habe ich den Eindruck gewonnen, dass Dr. Thompsons Aufenthalt in der Kammer für das Personal eine überaus unerfreuliche Erfahrung war. »Ich habe nie verstanden, warum er nicht einfach eingeschrumpelt und gestorben ist«, sagte Dr. Squane mir gegenüber. »Nur ein Monster konnte in der Lage sein, ein solches Trauma zu überleben.«
Ich glaubte eine gewisse Enttäuschung in seiner Stimme zu hören, aber ich wollte ihm nicht widersprechen. Wir haben Ähnliches doch schon öfter erlebt, oder? Und es ist jedes Mal wieder dasselbe Programm. Meine einzige Sorge ist derzeit – in meiner Eigenschaft als Thompsons De-facto-Leibwächter – dafür zu sorgen, dass er nicht in
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