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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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ernsthafte Schwierigkeiten gerät, wenn er ernst macht mit seinem Vorhaben, nach Washington zu gehen.
    Und das wird er in der Tat , so vermute ich – was unter anderem astronomische Spesenrechnungen bedeutet, für die der Rolling Stone geradestehen muss. Ob er in der Lage sein wird, einen zusammenhängenden Bericht zu schreiben, ist meines Erachtens eine zweitrangige Frage, weil alles, was er schreibt, wenn überhaupt, bis zu dem Zeitpunkt, wo es in gedruckter Form erscheint, schon lange überholt sein wird. Nicht einmal die Washington Post oder die New York Times , die hier in Woody Creek täglich (wenn auch mit drei Tagen Verspätung) erhältlich sind, können auch nur ansatzweise Schritt halten mit den Schreckensmeldungen, die unvermittelt und die Grenzen des Fassbaren sprengend zu jeder Sekunde aus dem Fernseher quellen.
    Letzten Samstagnachmittag zum Beispiel saß ich absolut friedlich hier und kümmerte mich um meinen »Laden«, als die unverhüllte Obszönität eines Wortwechsels zwischen Mike Wallace und John Ehrlichman einen aus dem Fernseher heraus förmlich ansprang.
    Ich saß zusammen mit Gene Johnston – einem alten Freund von Thompson und ehemaligen Geschäftsführer des Aspen Wall Poster –, als Sandy nach uns rief, wir sollten rüberkommen und die Sendung anschauen. Ehrlichmans Gesicht war einfach schauderhaft. Völlig zerfressen von einer lebenslangen Routine im Herunterbeten von Lügen und Abziehen von lahmen Betrugsmaschen, sodass wir es in unserem labilen Zustand kaum über uns brachten, ihn anzusehen.
    »Herrgott, schau dir diesen Kerl an!«, murmelte Johnson dauernd vor sich hin. »Es ist gerade mal zwei Monate her, da hat dieser Typ das Land regiert .« Er machte ein Bier auf und knallte es auf den Tisch. »Das Wort ›paranoid‹ will ich nie wieder hören! Verdammte Hölle! Nicht nachdem ich diese Visage gesehen habe!« Er trottete zu Tür, wobei er immer wieder den Kopf schüttelte und murmelte: »Gottverdammich! Es ist nicht zum Aushalten !«
    Auch ich schaute mir die Übertragung an, und auch ich hatte einige Probleme damit. Das Ganze erinnerte mich an Letzte Ausfahrt Brooklyn , die Szene mit der Vergewaltigung der vom Schicksal ohnehin gebeutelten Nutte – aber ich wusste, dass Dr. Thompson die Sendung in Miami verfolgte und dass dies ihm die Galle überkochen ließ und er durchdrehen musste. Der letzte eventuell noch verbliebene Rest von Hoffnung darauf, ihn möglicherweise daran hindern zu können, sich auf den Weg nach Washington zu machen, löste sich im Verlauf der Wallace-Ehrlichman-Show in Rauch auf. Bei Thompson bewirkte das Ganze nur, dass er sich in seiner Überzeugung bestätigt fühlte, Richard Nixon sei am Ende – und diese Aussicht allein reicht schon aus, um ihn nach Washington zu locken und beim Läuten der Totenglocken dabei zu sein.
    Meine eigene Prognose fällt zu diesem Zeitpunkt [ sic ] weniger drastisch aus, aber ich bin ohnehin nie in der Lage gewesen, Dr. Thompsons obsessive politische Visionen zu teilen, egal wie man dazu auch stehen mag. Mein Job dreht sich um Kleinkram, nicht um finale Rache. Und es erscheint mir, dass die ganzen Enthüllungen in Zusammenhang mit der Watergate-Affäre nichts beinhalten, was, abgesehen von streng linientreuen Parteianhängern, irgendjemanden davon überzeugen könnte, dass wir alle besser dran sind, wenn es erst einmal zu Ende ist. So wie ich die Lage einschätze, haben wir den wahren Nutzen dieses ganzen Spektakels bereits genossen – nämlich die fast beiläufige Kastration entmenschlichter Strippenzieher des Machtapparats wie Haldeman, Ehrlichman und Tom Charles Huston, diesem blindwütigen jungen Schakal von einem Anwalt aus Indianapolis, den Nixon mit dem Sondereinsatzkommando Inland betraut hat.
    Die Tatsache, dass Verbrecher dieses Kalibers zumindest für die nächsten drei Jahre abserviert sind, gibt uns allen eine kurze Zeit zum Luftholen, und auf mehr zu hoffen lohnt sich nicht angesichts des jämmerlichen Zustands der (demokratischen) Opposition. Nixon selbst ist kein Problem, jetzt, da all seine führenden Schergen neutralisiert sind. Man mag sich gar nicht vorstellen, was diese Schweinehunde alles abgezogen hätten, wären sie in der Lage gewesen, noch drei weitere Jahre schalten und walten zu können.
    Selbst eine oberflächliche Lektüre des Memorandums aus dem Weißen Haus bezüglich »Subversive Kräfte im Inland & andere Feinde des Weißen Hauses« (Bill Cosby, James Reston, Paul Newman, Joe Namath et al.)

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