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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Quote. Es war eine lange, ausgeklinkte Nacht gewesen, aber die beiden Dinge, die ich vor dem Spiel hatte tun müssen – meine Predigt und meine Einleitung –, waren erledigt. Der Rest des Tages konnte nicht besonders schwierig werden: Ich musste nur versuchen, mit niemandem Ärger zu bekommen und mich so weit in Form zu halten, dass ich noch meine Wettgewinne abkassieren konnte.
    Unter den ungefähr 1600 Sportjournalisten in der Stadt wurde Miami mit fast zwei zu eins favorisiert … aber es gab nur ungefähr eine Handvoll Sportschreiber im Lande, die genug Verstand hatten, die Pisse aus ihren Stiefeln zu kippen, und am Samstagabend war es zu einem ganz deutlichen Gesinnungswandel unter diesen wenigen »smarten« Jungs gekommen. Sie waren zu Minnesota abgedriftet, mit sieben Punkten. Paul Zimmerman von der New York Post , Autor von The Thinking Man’s Guide to Pro Football , und die Antwort der Sportjournalisten-Gilde auf den politischen Guru der Washington Post , David Broder, hatte seinen traditionellen Presse-Wett-Pool organisiert – jeder Sportjournalist, den es danach gelüstete, konnte einen Dollar in den Pott werfen und das Endergebnis voraussagen (es wurde am Schwarzen Brett im Pressezentrum angeschlagen, damit alle Welt es sehen konnte) … und wer dem tatsächlichen Ergebnis am nächsten kam, konnte dann so ungefähr 1000 Dollar einstreichen.
    So war’s jedenfalls theoretisch. Aber tatsächlich trauten sich nur ungefähr vierhundert Schreiber, öffentlich vorauszusagen, wie das Spiel ausgehen würde, ein Spiel, dessen Ergebnis – sogar einem Amateur wie mir – so klar sein musste, dass ich jede Wette gegen die Vikings annahm, unabhängig von den Quoten. Noch um 10 Uhr 30 am Sonntagmorgen rief ich Buchmacher an beiden Küsten an, verdoppelte und verdreifachte meine Wetten auf jede Quote, die ich zwischen fünf und sieben bekommen konnte … und um 14 Uhr 35 am Sonntagnachmittag, fünf Minuten nach dem Anstoß, wusste ich, dass alles klar war.
    Augenblicke später, als die Dolphins quer übers Feld auf einen weiteren Touchdown zustürmten, begann ich, Geld einzukassieren. Das Endergebnis war erschreckend klar, bevor noch die erste Hälfte des ersten Viertels gespielt war – und kurz danach langte mir der Redakteur von Sport Magazine , Dick Schapp, über die Schulter und ließ zwei Scheine auf meinen Schoß fallen – einen Fünfer und einen Zwanziger.
    Ich lächelte ihn an. »Himmel«, sagte ich. »Gibst du jetzt schon auf? Das Spiel ist doch noch lange nicht zu Ende, mein Guter. Deine Leute liegen doch erst einundzwanzig Punkte im Rückstand, und es ist erst die Hälfte rum.« Er schüttelte traurig den Kopf.
    »Rechnest du nicht damit, dass sie in der zweiten Hälfte schwer zulegen?«, fragte ich und steckte sein Geld ein.
    Er starrte mich an und sagte keinen Ton … und dann verdrehte er seine Augen hinauf in die Dunstglocke, die über dem Stadion hing, hinauf zu dem »Goodyear«-Zeppelin, der dort oben fast unsichtbar im Nebel schwebte.
    Die Super Bowl wird zunehmend berechenbarer, und dieses Spiel machte keine Ausnahme. Die Dolphins hatten den Anstoß und rannten die Verteidigung der Vikings über den Haufen, als wären sie ein Haufen kranker Junkies. Diese Verteidigung – die sogenannten »Purple People Eaters« oder Minnesotas »sagenhafte Vier« – hatte an diesem langen Nachmittag in Houston nichts zu lachen. Es war eines der langweiligsten und vorhersehbarsten Footballspiele, die ich je ertragen musste, sei es im Fernsehen oder sonst wo. Ich hatte bei Zimmermans Wette, was den Ausgang des Spiels anging, auf einen Endstand von 27 zu 10 getippt und lag angesichts des tatsächlichen Resultats von 24 zu 7 nur jeweils um 3 Punkte daneben, was zwar nicht reichte, um den Pott zu gewinnen, allerdings nahe genug war, um die Buchmacher, Experten und sonstigen Schlaumeier zu schlagen.
    Es liegt definitiv ein perverses Vergnügen darin, über den »gesunden Menschenverstand« zu triumphieren – sei es im Sport, in der Politik oder auf einem anderen Gebiet –, und die Formel dafür ist gefährlich einfach: Man setzt so hoch wie möglich gegen die vorherrschende Meinung – solange man nicht gegen seinen Instinkt oder das universelle Karma wettet.
    Kurz nach dem Spiel, als wir in einem mit Sägespänen bedeckten Zirkuszelt standen und die Spieler einer nach dem anderen für ein Masseninterview mit der Sportpresse hereingeführt wurden, sprach mich Larry Merchant an, der Autor eines kürzlich

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