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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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ich ihm näher, als ich es jemals wieder sein werde; schließlich war er wenigstens Profi … und das war, Gott sei’s geklagt, auch ich. Zumindest hatte ich eine Handvoll Presseanstecker, die mich als Profi ausgaben.
    Und es war diese eisern professionelle Einstellung, glaube ich, die mir half, schnell mein Problem zu lösen … das mich bis zu dem Augenblick, da ich mich an das fiese Schreckgespenst Mitchell erinnerte, vor die schreckliche Entscheidung zu stellen schien, entweder meine Strafpredigt zu halten oder meine Einleitung zu schreiben, und zwar innerhalb einer unmöglich kurzen Zeit.
    Wenn die Sache irre wird, werden die Irren zu Profis.
    Wer hatte das gesagt?
    Ich hatte den Verdacht, es könne jemand von der Columbia Journalism Review gewesen sein, aber ich hatte keinen Beweis dafür … und es ist sowieso egal. Es gibt zwischen Profis eine Art Zusammenhalt, der keiner Definition bedarf. Oder wenigstens bedurfte er dessen nicht an jenem Sonntagmorgen in Houston, aus Gründen, die wiederum zu diesem Zeitpunkt keiner weiteren Diskussion bedürfen … zumal mir plötzlich aufging, dass ich die Einleitung für das Super-Bowl-Spiel dieses Jahres schon geschrieben hatte : Ich schrieb sie letztes Jahr in Los Angeles, und als ich mit ein paar Griffen meinen dicken Ordner mit Presseausschnitten durchforstete, kam sie wie durch Zauberkraft unter der Überschrift »Football ’73« zutage.
    Ich riß sie aus dem Ordner und schrieb sie neu ab unter dem hingehauenen Titel: »Super Bowl/Houston ’74«. Die einzig notwendige Veränderung war, »Washington Redskins« durch »Minnesota Vikings« zu ersetzen. Davon abgesehen schien die Einleitung für das Spiel, das in gut sechs Stunden beginnen würde, ebenso brauchbar und passend, wie sie es für das Spiel gewesen war, das ich im Januar 1973 in Los Angeles verpasst hatte.
    »Die präzisen Rammbock-Attacken der Miami Dolphins stampften die Minnesota Vikings heute in Grund und Boden, nahmen ihnen jeden Mumm. Ein präziser Rammschlag nach dem anderen in der Mitte, im Wechsel mit haarscharfen Präzisionspässen in den Freiraum und zahlreichen knallharten Körpereinsätzen an beiden Seiten …«
    Das Schrillen des Telefons veranlasste mich, meine Arbeit zu unterbrechen. Ich krallte mir den Hörer, sagte nichts zu wem auch immer am anderen Ende der Leitung und bediente hektisch den Knopf für die Vermittlung. Als das Mädchen aus der Zentrale endlich dran war, sprach ich mit sehr beherrschter Stimme. »Hören Sie«, sagte ich. »Ich bin ein überaus freundlicher Mensch und obendrein verbreite ich von Amts wegen das Evangelium … aber ich dachte, ich hätte bei Ihnen unten veranlasst, dass mir keine Gespräche – KEINE GESPRÄCHE, VERDAMMTNOCHMAL! – in dieses Zimmer durchgestellt werden, und ganz besonders nicht jetzt , mitten in dieser Orgie … ich bin jetzt schon acht Tage hier, und bisher hat mich niemand angerufen. Warum zum Teufel geht es gerade jetzt los? … Was? Also, derart fadenscheinige Argumente kann ich nicht akzeptieren. Glauben Sie an die Hölle ? Sind Sie in der Lage, augenblicklich vor Petrus hinzutreten? … Moment mal, beruhigen Sie sich … Ich möchte nur sichergehen, dass Sie eins verstehen, bevor ich mich wieder meiner Arbeit widme: Ich habe ein paar Leute hier, die meiner Hilfe bedürfen … Aber ich möchte, dass Sie wissen: Gott ist heilig! Er duldet keine Sünde in seinem Angesicht! In der Bibel steht geschrieben: ›Da ist keiner, der gerecht sei – auch nicht einer … sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.‹ Das ist aus dem Römerbrief, Fräulein …«
    Die Stille am anderen Ende der Leitung begann, mich nervös zu machen. Aber ich fühlte, wie mein Blut in Wallung geriet und die Kraft in mir aufstieg, und daher entschied ich mich, meine Predigt vom Balkon aus fortzusetzen … und plötzlich wurde mir bewusst, dass jemand an meine Tür schlug. Herr im Himmel, dachte ich, das ist der Hotelmanager – jetzt haben sie mich doch am Wickel.
    Aber es war ein Fernsehreporter aus Pittsburgh. Sturzbetrunken. Er wollte sich unbedingt bei mir duschen. Ich zerrte ihn ins Zimmer. »Vergessen Sie die gottverdammte Dusche«, sagte ich. »Ist Ihnen eigentlich klar, was mir auf dem Rückgrat klebt?« Er starrte mich an und bekam kein Wort heraus. »Ein gigantischer Blutegel«, sagte ich. »Seit acht Tagen sitzt er schon da, und er wird fetter und fetter von meinem Blut.«
    Er nickte bedächtig, als ich ihn zum

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