Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
Vom Netzwerk:
relativ ungestört aufhalten konnte, bis es Zeit war, wieder in Richtung Festessen aufzubrechen.
    Die Mensa war nicht zu verfehlen. Davor hatte sich eine neugierige Menge von etwa zweihundert Studenten versammelt in der Hoffnung, einen Blick auf Kennedy zu erhaschen, der langsam die Stufen hinaufstieg und Autogramme gab, während ich mich dem Gebäude näherte.
    Dort angekommen, schaute ich mich um und gewann augenblicklich ein Bild von dem erlesenen Publikum, mit dem wir es zu tun haben würden. Es handelte sich dabei mitnichten um eine Horde guter alter Kumpels, die zufällig alle Absolventen der juristischen Fakultät der Universität von Georgia waren – o nein. Dieses waren die Cum laude -Absolventen der Fakultät, die Top-150, die es geschafft hatten, aufgrund ihrer Verdienste, ihrer Vorfahren oder krummer Touren auf die handverlesene Liste derer aufgenommen zu werden, die zur Enthüllung von Rusks Porträt und dem anschließenden Festessen mit Senator Kennedy, Gouverneur Carter, Richter Crater und zahlreichen anderen illustren Gästen eingeladen waren, deren Namen ich vergessen habe … Und Jimmy King hatte richtig gelegen: Dies war nicht die natürliche Umgebung für jemanden, der in schmutzigen weißen Basketballschuhen und ohne Schlips herumlief und hinter dessen Namen auf der Gästeliste in der Spalte für Ehrentitel lediglich die Bezeichnung Rolling Stone vermerkt war. Hätte ich an einem Treffen ehemaliger Top-Absolventen der medizinischen Fakultät der Universität von Georgia teilgenommen, wo auf der Gästeliste die Spalte für den Titel sich vor derjenigen für den Namen befindet, so wäre ich nicht weiter aufgefallen. Zum Teufel auch, ich hätte mich sogar in die eine oder andere Unterhaltung einmischen können, ohne dass jemand etwas dabei gefunden hätte, wenn ich zwischenzeitlich etwas von »Blut an den Händen« gefaselt hätte.
    Klar. Aber wir waren bei den Feierlichkeiten zum Law Day in Georgia, und ich war der einzige Doktor im Raum … Und so musste ich wohl als eine merkwürdige Variante eines Geheimagenten durchgehen, der aus unerfindlichen Gründen zum Gefolge von Senator Kennedy gehörte. Nicht einmal die Agenten des Secret Service konnten sich einen Reim darauf machen, welche Rolle ich in dem gesamten Tross spielte. Alles, was sie wussten, war, dass ich gemeinsam mit Teddy aus dem Flieger aus Washington gestiegen und seitdem immer in seiner Nähe gewesen war. Einem Secret-Service-Agenten wird man nicht vorgestellt – von den Typen wird erwartet, dass sie wissen, wer jeder ist. Und wenn sie keine Ahnung haben, tun sie so, als wüssten sie Bescheid und hoffen, dass alles glattgeht.
    Es ist nicht meine Angewohnheit, den Secret Service in unangemessener Weise für meine Zwecke einzuspannen. Wir haben einiges gemeinsam durchgemacht, wenn man so will, und seit ich einmal während des Wahlkampfs 1972 in ein Zimmer des Biltmore Hotel in New York hineinstolperte und drei SS-Agenten dabei erwischte, wie sie gerade einen Joint durchzogen, fühle ich mich in ihrer Gegenwart nicht unbedingt unbehaglich … Insofern war es für mich nichts Außergewöhnliches, einen der vier Agenten aus unserer Eskorte nach den Wagenschlüsseln zu fragen, um meine Lederumhängetasche sicher im Kofferraum des Wagens zu verstauen, anstatt sie die ganze Zeit mit mir herumzuschleppen.
    Doch anstatt mir die Schlüssel zu geben, hatte der Agent es vorgezogen, meine Tasche selbst in den Kofferraum zu legen … Aber als ich an unserem Tisch in der Cafeteria Platz nahm und feststellen musste, dass sich die Getränkeauswahl auf Eistee beschränkte, fiel mir wieder ein, dass sich unter den Dingen in meiner Tasche auch eine Literflasche Wild Turkey befand, nach der ich augenblicklich ein großes Verlangen hatte. Auf dem Tisch vor mir – und allen übrigen Gästen – stand ein großes Glas Eistee, der farblich von Bourbon kaum zu unterscheiden war. Am Rand eines jeden Glases steckte eine Zitronenscheibe; ich schnappte mir die Zitrone, kippte den Inhalt meines Glases in Paul Kirks Wasserglas und fragte einen der Agenten am Nebentisch nach dem Schlüssel zum Kofferraum. Er zögerte einen Moment, doch da einer der Dekane der juristischen Fakultät oder Richter Crater bereits in das Mikrofon am Rednertisch sprach, rückte er den Schlüssel heraus, um weitere Unruhe im Saal zu vermeiden …
    Ich dachte mir gar nichts dabei, bis ich auf dem Parkplatz stand und den Kofferraum aufmachte …
    Heiliger Strohsack!
    Wenn Ihnen Ihr Leben

Weitere Kostenlose Bücher