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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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sagte kein Wort, während ich ihm auf dem Rücksitz kauernd erklärte, dass ich zum Frühstück »mit dem Gouverneur und Ted Kennedy« verabredet und schon spät dran sei … Dann richtete er sich mit einem Mal kerzengerade auf und fing an, den Taxifahrer anzubrüllen: »Was für’n blöden Scheiß versuchen Sie hier abzuziehen , Kumpel? Haben Sie eine Ahnung, wo wir hier sind ?«
    Bevor der Taxifahrer auch nur ein Wort sagen konnte, klatschte der Bulle mit der flachen Hand auf die Motorhaube, und zwar so heftig, dass der ganze Wagen wackelte. »Sie! Motor ausschalten!« Dann deutete er auf mich: »Sie! Raus aus dem Taxi. Zeigen Sie mir Ihren Ausweis!« Er ergriff meine Brieftasche und bedeutete mir, ihm in das Wachhäuschen beim Tor zu folgen. Der Taxifahrer wollte mitkommen, doch der Bulle winkte ihn zurück. »Bleiben Sie, wo Sie sind, um Sie kümmere ich mich gleich.« In dem Gesichtsausdruck meines Taxifahrers spiegelte sich die Gewissheit, dass wir beide im Knast landen würden und alles meine Schuld war. »Es war nicht meine Idee, hier rauszukommen«, winselte er. »Der Typ hat gesagt, er ist zum Frühstück mit dem Gouverneur eingeladen.«
    Der Beamte betrachtete die Presseausweise in meiner Brieftasche. Ich schwitzte ohnehin schon aus allen Poren, und als er mich plötzlich von oben bis unten musterte, fiel mir auf, dass ich eine Bierdose in der Hand hatte. »Bringen Sie immer Ihr eigenes Bier zum Frühstück mit dem Gouverneur mit?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Achseln und ließ die Dose in einen Papierkorb fallen, der zufällig in der Nähe stand.
    »Sie!«, brüllte er. »Was glauben Sie, wo Sie hier sind?«
    Das Theater ging noch zwanzig Minuten weiter. Es wurden viele Telefonate geführt, viel herumgebrüllt, und schließlich gelang es dem Beamten, jemanden im Haus zu erreichen, der sich bereit erklärte, Senator Kennedy zu suchen und ihn zu fragen, ob er »einen Kerl namens Thompson« kannte, »ich hab ihn hier unten, er hat schon einige Biere intus und will raufkommen zum Frühstück …«
    Herrgott, dachte ich, da wird Kennedy bestimmt hocherfreut sein, das zu hören. Mitten beim Frühstück mit dem Gouverneur von Georgia kommt ein nervöser alter Schwarzer aus der Küche geschlurft und verkündet, dass der Polizeibeamte am Tor unten einen Säufer angehalten hat, der behauptet, ein Freund von Kennedy zu sein, und hochkommen will, um mit zu frühstücken …
    Was, um genau zu sein, eine Lüge war. Ich hatte keine Einladung zum Frühstück mit dem Gouverneur, und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich alles in meiner Kraft Stehende unternommen, um ebendies zu vermeiden. Das Frühstück ist die einzige Mahlzeit des Tages, die ich mit ähnlich traditioneller Verklärung betrachte, wie sie der Großteil der Leute mit dem Mittag- oder Abendessen in Verbindung bringt.
    Ich frühstücke gerne allein, und zwar so gut wie nie vor zwölf Uhr Mittag; jeder, der aufgrund seines Lebensstils permanent unter Strom steht, braucht alle vierundzwanzig Stunden zumindest einen psychischen Halt – und bei mir ist das das Frühstück. Ob in Hongkong, Dallas oder zu Hause – und egal, ob ich zuvor geschlafen habe oder nicht –, stets stellt das Frühstück ein Ritual dar, das nur allein angemessen vollzogen werden kann und indem man seiner Neigung zum Exzess freien Lauf lässt. Was Speisen und Getränke angeht, sollte man Opulenz walten lassen: vier Bloody Marys, zwei Grapefruits, eine Kanne Kaffee, Rangun Crêpes, ein halbes Pfund Würstchen, Bacon oder gebratenes Corned Beef mit gewürfelten Chilischoten, ein spanisches Omelett oder pochierte Eier, ein Liter Milch, eine zerteilte Zitrone zum Beträufeln von Speisen oder Nachwürzen von Getränken, vielleicht noch ein Stück Zitronentorte, zwei Margaritas und sechs Linien bestes Kokain zum Nachtisch … genau, und dazu zwei oder drei Tageszeitungen, die Post und Benachrichtigungen des Tages, ein Telefon, ein Notizbuch zur Planung der nächsten vierundzwanzig Stunden und wenigstens eine Quelle guter Musik … All dies sollte im Freien genossen werden, im warmen Licht der Sonne und vorzugsweise splitterfasernackt.
    Ich stelle mir gerade vor, wie die armen Schweine in San Francisco den ganzen Tag voller gespannter Erwartung um den guten alten Mojo Wire herumsitzen und darauf harren, dass er meine fein formulierte Abhandlung zum Thema »Die Bedeutung von Jimmy Carter« ausspuckt, die über zweitausend Meilen Telefondraht durch das halbe Land gejagt wird, und wie sie dann

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