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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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erneuten Abhören dieser Bänder keinen Zweifel, dass ich es mit einem Kandidaten zu tun hatte, der sich schon immens intensiv und umfassend mit Themen wie Steuerreform, Landesverteidigung und der Struktur des politischen Systems in den USA befasst hatte, bevor er seine Entscheidung, im Rennen um die Präsidentschaft anzutreten, verkündete. Genauso wenig steht infrage, dass es eine Menge Dinge gibt, über die Jimmy Carter und ich niemals einer Meinung sein werden. Ich hatte ihn vor unserer ersten Unterhaltung mit eingeschaltetem Bandgerät gewarnt, dass ich – so sehr ich seine Gastfreundschaft zu schätzen wusste und so überraschend wohl und entspannt ich mich in seinem Zuhause fühlte – vor allem Journalist war und dass einige der Fragen, die ich ihm stellen wollte, unfreundlich oder unverhüllt feindselig erscheinen konnten. Aus diesem Grund, erklärte ich ihm, wollte ich ihm die Möglichkeit einräumen, die Aufzeichnung mittels einer Fernbedienung jederzeit zu stoppen, wenn die Unterhaltung aus dem Ruder laufen sollte. Worauf er antwortete, er hätte keine große Lust darauf, sich darum zu kümmern, ob das Band läuft oder nicht – was mich damals überraschte. Doch wenn ich die Bänder jetzt höre, stelle ich fest, dass lose Reden und abseitiger Humor nicht zu Jimmy Carters Lastern zählen.
    Was in meinem Fall allerdings zutrifft, wie unüberhörbar deutlich wird; doch das mag daran gelegen haben, dass ich den Großteil der Nacht mit Carters Söhnen Jack und Chip sowie deren Frauen im Wohnzimmer mit Trinken und Plaudern verbracht hatte – und später allein in meinem Gästezimmer über der Garage noch etwas nachlegte – und daher am Mittag des nächsten Tages, als wir unsere »ernsthafte« Unterhaltung begannen, noch immer nicht richtig auf dem Damm war. Deswegen wimmelt es auf dem Band von schrägen Kommentaren meinerseits über »elendes Faschistenpack«, »schwanzlutschendes Diebsgesindel, das mit seinen Ärschen in ganz Washington hausieren geht« und »hirnlose Idioten, die einem am Flughafen von Atlanta sonntags keinen Schnaps verkaufen«.
    Meine ganz normale Ausdrucksweise also – mit der Carter aber bereits vertraut war, und dennoch gibt es an manchen Stellen Pausen, in denen man förmlich hört, wie Carter die Zähne zusammenbeißt und sich zu überlegen scheint, ob er lachen oder wütend werden soll über Dinge, von denen ich mir damals gar nicht klar war, dass ich sie sagte, die sich aber auf Band anhören wie unvermittelte Zornausbrüche aus der heiseren Kehle eines paranoiden Psychotikers. Der Großteil der Unterhaltung ist von messerscharfer Rationalität geprägt, doch ab und zu gerät sie doch aus der Bahn, und dann höre ich mich Sätze ausrufen wie: »O Gott! Was ist denn das für ein entsetzlicher Gestank?«
    Sowohl Carter als auch seine Frau haben auf mein Benehmen in bemerkenswert toleranter Weise reagiert – auch bei ein oder zwei Gelegenheiten, wo ich deutlich angeschlagen war. Ich habe immer darauf geachtet, in ihrer Gegenwart keine Rechtsbrüche zu begehen, aber darüber hinaus habe ich mich in Gesellschaft von Carter und seiner Familie so benommen wie immer. Auch in Gegenwart von Carters Mutter Miss Lillian, die achtundsiebzig Jahre alt und derzeit das einzige Mitglied des Carter-Clans ist, das ich rückhaltlos und guten Gewissens in einem Präsidentschaftswahlkampf unterstützen würde.
    Hoppla! Nun ja … dazu kommen wir gleich noch. Im Augenblick gibt es anderes zu tun … Ach Quatsch, was soll’s? Bringen wir es hinter uns, denn langsam wird die Zeit knapp, und das verdammte Sloat ist auch gleich alle; also ist die Zeit gekommen, mir selbst in der Carter-Frage Klarheit zu verschaffen.
    Es hat beinahe ein Jahr gedauert, bis ich an diesen Punkt gelangt bin, und ich weiß immer noch nicht genau, wie ich damit umgehen soll … Doch ich arbeite mit großem Tempo darauf hin, was zum großen Teil der Hilfe meiner Freunde aus dem liberalen Lager zu verdanken ist. So viele Anfeindungen und Beschimpfungen, wie sie mir von diesen nervigen Klugscheißern während der Vorwahlen in New Hampshire und Massachusetts um die Ohren gedroschen wurden, hatte ich mir seitens meiner Freunde in politischen Fragen seit den frühen Tagen des Free Speech Movement in Berkeley nicht mehr anhören müssen, und das liegt schon fast ein Dutzend Jahre zurück … Ich hatte damals während jener ersten, wilden Tage des FSM die gleichen Empfindungen wie jetzt in Bezug auf Jimmy Carter. In beiden Fällen war

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