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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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anzurufen und so etwa zehn Kisten 66 Proof Sloat Ale auf Carter zu setzen und die drei leeren Bierdosen auf Ford zu vergessen.
    Mit anderen Worten: überall macht sich Panik breit, und die letzten Überlebenden der ohnehin unter einem schlechten Stern gestarteten Stoppt-Carter-Bewegung irren durch die Straßen und versuchen verzweifelt, ihre Uniformen und Waffen noch schnell an irgendeiner Ecke in Washington in die Mülltonnen zu stopfen … Jetzt kommt auch noch ein Anruf vom CBS-Korrespondenten Ed Bradley, der sich dem Carter-Tross angeschlossen hat, nachdem er zunächst mit Birch Bayh ins Rennen gegangen war, und der mir erzählt, Bayh werde morgen auf einer Pressekonferenz in Washington verkünden, dass er sich entschieden hat, Jimmy Carter zu unterstützen.
    Na … was halten wir denn davon? Da soll noch mal einer sagen, eine Hafenratte käme schneller von einem sinkenden Schiff als ein 87-prozentiger ADA-Liberaler.
    Aber jetzt ist keine Zeit für hämische Witze über Liberale und Hafenratten. Beide Spezies sind nicht bekannt für blinden Mut oder sture Prinzipientreue, also lassen wir das verkommene Pack dorthin ziehen, wo immer es sich wenigstens zeitweise wohlfühlt … Mittlerweile macht es den Eindruck, dass es für den Rest von uns Zeit wird, klare Verhältnisse zu schaffen, denn der Einzige, der Jimmy Carter derzeit am Einzug ins Weiße Haus hindern kann, ist Jimmy Carter.
    Was passieren kann, aber auf so etwas zu setzen ist reichlich riskant, denn es gibt in der Geschichte der Wahlkampfpolitik keinen Präzendenzfall für eine Situation wie diese: Mehr als die Hälfte der Vorwahlen liegen noch vor ihm, und doch ist das Rennen schon gelaufen, und Carter steuert quasi ohne Gegner auf die Nominierung durch die Demokraten zu und wird – wenn nicht etwas ganz Schräges und Unvorhergesehenes eintritt – die nächsten beiden Monate im Wartestand verbringen, bis er nach New York fahren und sich dort seine Nominierung abholen kann.
    Ich selbst werde von jetzt bis Juli noch von dem ein oder anderen zusätzlichen Zweifel heimgesucht werden, aber solange nichts passiert, das mich dazu bringt, noch mehr Zeit als ohnehin schon mit Gedanken über das finstere Potenzial zuzubringen, das unweigerlich im Hirn von so gut jedem herumspuken muss, dessen Ego so gefährlich angeschwollen ist, dass er wirklich und wahrhaftig Präsident der Vereinigten Staaten werden will, habe ich nicht die Absicht, übermäßig viel Zeit damit zu vergeuden, mir Sorgen zu machen angesichts der Aussichten, dass Jimmy Carter ins Weiße Haus einziehen könnte. Es gibt zum einen ohnehin nicht viel, was ich in dieser Hinsicht tun könnte, und zum anderen habe ich in den letzten beiden Jahren genügend Zeit mit Jimmy Carter verbracht, um mir von seiner Kandidatur ein gutes Bild machen zu können.
    Ich bin nach Plains in Georgia gefahren, um mit ihm ein paar Tage auf seinem eigenen Terrain zu verbringen und hoffentlich herauszufinden, wer Jimmy Carter wirklich ist, bevor der Wahlkampf das übliche Leichentuch über ihn ausbreitete und er anfing zu reden wie ein Kandidat und nicht wie ein menschliches Wesen. Sobald ein Aspirant auf den Präsidentenstuhl den Vorwahlkampf hinter sich hat und allmählich Visionen entwickelt, wie er am Schreibtisch des Weißen Hauses sitzt, muss ihm allein schon die Vorstellung völlig abstrus erscheinen, bei sich zu Hause im Wohnzimmer mit einem streitlustigen, vulgären Journalisten herumzusitzen, der einen Kassettenrekorder in der einen und eine Flasche Wild Turkey in der anderen Hand hält, und mit diesem Typen eine ungezwungene Unterhaltung zu führen.
    Doch als ich mich damals mit Carter bei ihm zu Hause traf und wir uns unterhielten, war es noch fast ein Jahr bis zu den Vorwahlen in New Hampshire, und die Ausbeute dieses Wochenendes waren sechs Stunden mitgeschnittener Gespräche zu allen möglichen Themen von den Allman Brothers, Stockcar-Rennen und unseren sehr gegensätzlichen Ansichten zum Thema Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Strafverfolgung über Atom-U-Boote, den Vietnamkrieg und den Verrat Richard Nixons. Als ich letzte Woche die Bänder noch einmal abhörte, fielen mir etliche Dinge auf, denen ich damals keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, und der stärkste Eindruck dabei ist der, wie detailliert und präzise seine Antworten auf einige der Fragen waren, bei denen ihm heutzutage vorgeworfen wird, dass er entweder nicht fähig oder nicht willens ist sie zu beantworten. Für mich gibt es nach dem

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