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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Zähne einzuschlagen für all die wirren und teuer bezahlten Lügen, die er ihnen zu diesem oder jenem Zeitpunkt auftischte, als er auf dem Weg zu seinem Platz an der Sonne wie besessen um sich schlug . Er stritt nie ab, dass er ein verlogenes Schwein war und dass ihm jedes Mittel recht war, um sein Ziel zu erreichen. Sogar seine Freunde bekamen es zu spüren. Und doch gab es Zeiten, in denen er sich so ernst nahm wie jeder Mao oder Moses der Amateurliga, und in Augenblicken wie diesen war er fähig zu ungewöhnlichen Einsichten, und seine naive Anmut im Umgang mit anderen Menschen reichte oft an Seelenadel heran. In Bestform war der Braune Büffel Muhammad Ali ebenbürtig.
    Als ich ihn erst drei Tage kannte, schenkte er mir ganz feierlich einen ziemlich grob geschnitzten hölzernen Götzen, von dem ich immer noch vermute, dass er ihm bisweilen heimlich huldigte, wenn weit und breit keiner der verabscheuten »weißärschigen gabachos« zu sehen war. In einem Abschnitt gegen Ende seiner Autobiografie beschreibt er jene seltsam rührende Überreichung des Geschenks viel besser, als ich es könnte.
    »Ich öffnete meinen zerschrammten Koffer und nahm meinen hölzernen Götzen heraus. Ich hatte ihn in leuchtend roten und gelben Stoff eingewickelt. Ein San-Blas-Indianer hatte ihn mir gegeben, als ich Panama verließ. Ich nannte ihn Ebb Tide. Er war aus hartem Mahagoni. Ein 50-Zentimeter-Gott ohne Augen, ohne Mund und ohne Geschlechtsorgan. Vielleicht hatte der Bildhauer dieselbe Hemmung, den Körper von der Taille abwärts zu gestalten, wie ich sie hatte, als ich in der vierten Klasse bei Miss Rollins zeichnen sollte. Ebb Tide war mein ältester Besitz. Eine Kette aus kleinen angegilbten Wildschweinhauern hing um seinen Hals.«
    Ebb Tide hängt noch immer an einem Nagel über dem Fenster in meinem Wohnzimmer. Ich kann ihn von dem Platz aus sehen, an dem ich gerade sitze und verzweifelt diese letzten gottverdammten Zeilen hinkritzle, bevor mir der Kopf explodieren kann wie ein Klumpen Magnesium, der in einen Eimer Wasser geschmissen wird. Ich war mir nie so recht sicher, welche Art Glück Ebb Tide mir in all den Jahren brachte – aber ich habe den kleinen Bastard niemals runtergenommen oder auch nur daran gedacht, es zu tun, und daher zeigt er sich wohl erkenntlich. Er hängt genau auf gleicher Höhe mit der Pfauenstange draußen, und gerade in diesem Augenblick linsen zwei tiefblaue Reptilienköpfe über seine schmalen Holzschultern.
    Glaubt das einer von euch da draußen?
    Nein?
    Nun … Pfauen können in dieser Höhe ohnehin nicht leben, wie Dobermann-Pinscher, Seeschlangen und Revolver schwingende Chicano-Missionare mit schlechtem Acid-Mundgeruch.
    Warum wiehert das Pferd vorm Leichenkarren, wenn es einen Anwalt fortzieht?
    – Carl Sandburg
    Zu diesem finsteren Zeitpunkt in seinem Leben sah es für Oscar in San Francisco oder L. A. nicht gut aus. Er musste den Eindruck haben, jeder Braune Büffel westlich der kontinentalen Wasserscheide sei zum Abschuss freigegeben worden.
    Sicher fühlte er sich nur unten im Süden, auf dem warmen fremdländischen Boden des Landes seiner Vorfahren. Aber als er diesmal zurück nach Mazatlan floh, tat er es nicht, um sich auszuruhen, sondern um zu grübeln – und seinen letzten wahnwitzigen Sprung zum großen Himmelshaken zu planen.
    Es würde ein Akt derart monumentaler Perversität werden, dass nicht einmal die sanftmütige Anwesenheit von Ebb Tide mich in meiner jähen und grausamen Entscheidung beeinflussen konnte, diesem hinterfotzigen Bastard müsse man die Eier mit einer Plastikgabel abreißen – und sie dann wie große Fleischtrauben an meine Pfauen verfüttern.
    Der Abgang, den er diesmal machte, kam direkt aus Jekyll und Hyde – der Braune Büffel verwandelte sich urplötzlich in eine tollwütige Hyäne. Und der Bastard machte den Wahnsinn perfekt, indem er sich irgendwo da draußen in den Niederungen von Mazatlan versteckte wie ein halb irrer Leprakranker, den Gürtelrose und Herpes simplex so übel zugerichtet hatten, dass er schließlich durchdrehte …
    Der schlimme Augenblick kam ein oder zwei Wochen vor der Drucklegung meines zweiten Buchs, Angst und Schrecken in Las Vegas . Wir befanden uns in der Endphase, und jemand, der es nie miterlebt hat, könnte nicht die Angespanntheit verstehen, die herrscht, wenn ein neues Buch fast so weit ist, in den Druck zu gehen, aber doch noch nicht ganz. Das Einzige, was zwischen mir und der Veröffentlichung stand, war ein Angriff

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