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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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leben, und ein zu seltenes Exemplar, um zu sterben – und was mich betrifft, gibt es im Augenblick eigentlich nichts weiter über ihn zu sagen. Eine Zeit lang fühlte ich mich versucht, den armen Hundesohn Drake anzurufen, unten in Coconut Grove, um ein bisschen mehr über die wilde Mär von Oscar und der Schlacht in der Biscayne Bay herauszukriegen – die mit wenigstens einem Mord und der totalen Zerstörung von Drakes Speedboot für 48000 Dollar geendet hatte – aber ich glaube, das kann ich im Moment wirklich nicht brauchen …
    Tatsächlich braucht es niemand – aber schließlich braucht auch niemand einen Oscar Zeta Acosta. Oder den Rolling Stone . Oder Jimmy Carter oder die Hindenburg … oder gar den Sloat-Diamanten.
    Mein Gott! Herrscht denn auf dieser Welt kein Respekt mehr? Nicht mal vor Menschen, die einen vollkommen sinnlosen Tod gestorben sind?
    Offensichtlich nicht … und Oscar war Anwalt, wie ungern er es am Ende vielleicht auch zugeben wollte. Er besaß das typisch zynische Verhältnis eines Anwalts zur Wahrheit – die seiner Meinung nach anderen Leuten nicht annähernd so wichtig war wie ihm selbst, und er war nie unbändiger und gefährlicher als in Augenblicken, in denen er das Gefühl hatte, belogen zu werden. Er zeigte nie viel Interesse am Konzept der Wahrheit, denn er hatte keine Zeit für das, was er »dämliche Angloabstraktionen« nannte.
    Verdammt zur Plackerei, gemeiner als der gemeinste Schuft, zimmern sie Lügen für ein Magazin.
    – Lord Byron
    Oscar sah in der Wahrheit ein Werkzeug und sogar eine Waffe, ohne die er seiner Überzeugung nach nicht auskam – und sei es nur deshalb, weil er meinte, dass jemand mit mehr Wahrheiten früher oder später versuchen würde, ihn zu übertrumpfen. Wahrheit war Macht – für Oscar so real wie eine Handvoll 100-Dollar-Scheinen oder eine Unze reines LSD-25. Seine Formel fürs Überleben in einer Welt voller reicher Gabacho-Faschisten bildete eine Art Kreis, der seinen Ausgangspunkt in der Ansicht nahm, Wahrheit bringe ihm Macht, und mit ihr wiederum könne er Freiheit erkaufen – Freiheit, sich die Birne mit Acid vollzupumpen, damit er mit dem König wandeln konnte, um sich weiteren und noch schöneren Wahrheiten zu nähern … in der Tat, eine runde Sache.
    Oscar glaubte daran, und eben dadurch schaufelte er sich letztlich das eigene Grab.
    Ich habe versucht, den gierigen Hundesohn zu warnen, aber er war zu paranoid, um auf mich zu hören … Weil er eigentlich nichts als ein bescheuerter, bösartiger Kurpfuscher war, ohne die geringste Moral und mit der Seele eines Hammerhais.
    Wir sind besser dran ohne ihn. Früher oder später hätte man ihn ohnehin einschläfern müssen … Und so ist die Welt ein besserer Ort – jetzt, da er zwar nicht nachweislich tot, aber zumindest nicht mehr in Sicht ist.
    Man wird ihn nicht vermissen – außer vielleicht in Fat City, wo alle Lichter in der Stadt erloschen, als wir hörten, dass er den Löffel abgegeben hatte.
    Respekt schuldet man den Lebenden: Den Toten schuldet man nur die Wahrheit.
    – Voltaire

Muhammad Ali, Teil eins und zwei
    Als glühender Fan des Boxsports hegte Hunter eine spezielle Bewunderung für den ebenfalls aus Louisville stammenden Muhammad Ali, und was ursprünglich als relativ kurze und schnörkellose Reportage geplant war, wuchs sich am Ende zu einem weiteren Epos von 20000 Wörtern Umfang aus, das biografische Elemente mit generellen Erläuterungen, theoretischen Auseinandersetzungen und Interviews vermengte. Und obwohl Muhammad Ali Journalisten bei Interviews normalerweise eher skeptisch bis misstrauisch gegenüberstand, fanden er und Hunter ziemlich schnell einen Draht zueinander. Bevor es allerdings dazu kam, mussten sie sich erst einmal begegnen. Alis Promoter Harold Conrad – ein radikaler Bonvivant der alten Schule – beschreibt in seinen Memoiren Dear Muffo Hunters ersten Auftritt in Alis Hotel in Manhattan:
    Er ist schon spät dran, als er, einen Chauffeur mit seinem Gepäck im Schlepptau, zur Tür hereinmarschiert kommt. Ich erkläre ihm, dass Ali bereits wartet. Er besteht darauf, zuerst einzuchecken.
    Jetzt steht er an der Rezeption, greift in seine Hosentasche, um seine Kreditkarte zu ziehen. Mit einem Mal wird er ganz panisch und wühlt in all seinen Taschen herum.
    »Heilige Scheiße! Mein Geldbeutel! Welche Sau hat meinen Geldbeutel geklaut?« Er brüllt dem Pagen zu, dass er sein Gepäck herüberbringen soll, das er dann mitten in der Hotelhalle auf dem

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