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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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handeln wie jener Mann, der nur einmal in jedem Jahrhundert »auserwählt ist, für sein Volk zu sprechen«.
    Damals war nicht ohne Weiteres zu erkennen, dass der endgültige Wahnsinn eingesetzt hatte – nicht mal für mich, der ich ihn besser kannte als so mancher andere, war das leicht … Aber ich kannte ihn wohl doch nicht gut genug, um das verzweifelte Gefühl von Versagen und Verlust nachempfinden zu können, das ihn überkam, als er sich plötzlich mit der mitleidlosen Möglichkeit konfrontiert sah, niemals wirklich dazu berufen gewesen zu sein, für irgendjemanden zu sprechen, es sei denn für sich selbst – und selbst das mag ihm wie ein halbwegs unmögliches Unterfangen vorgekommen sein, denn er hatte das Gefühl, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb.
    Ich hatte seinen Ausflug zum brennenden Dornenbusch nie sonderlich ernst genommen – und ich hege immer noch Zweifel, wie ernst er selbst ihn genommen hat … Manchmal halten diese Zweifel sehr lange an, und ich glaube, gerade jetzt stellen sie sich wieder ein … Wir hätten diesen hirnrissigen Dieb kastrieren sollen! Diesen Winkeladvokaten und Rechtsverdreher! Diesen gotteslästerlichen Freak! Er war hässlich und schmierig, und er schuldete mir noch immer Tausende von Dollars!
    Die Wahrheit lebte nicht in ihm, verdammt noch mal! Er war aus keinem anderen Grunde auf diese Erde gekommen, als in jedes Nest zu scheißen, in das er sich einschleichen konnte – aber erst, nachdem er es ausgeräubert und die Jungen an die Wüstennigger verkauft hatte. Wenn jener hinterfotzige Faustficker je wieder zum Leben erwacht, wird er sich wünschen, wir hätten ihm den Gefallen getan und ihn als Geschenk zu seinem 33. Geburtstag an einen zu Stein erstarrten Telegrafenmasten genagelt.
    KOMM NICHT ZURÜCK, Oscar! Wo immer du bist – bleib da! Hier ist kein Platz mehr für dich. Nicht nach all dem gefühlsduseligen Gewäsch, das ich schriftlich über dich abgelassen habe … und außerdem haben wir jetzt sowieso Werner Erhard. Also VERBUDDEL DICH TIEF, du Hundesohn, und nimm all das giftige Fett, das an dir schwabbelt, mit hinunter!
    Cazart! Wie war das für einen mit links hinausgepeitschten Abgesang?
    Egal. Zeit für Fragen bleibt nicht mehr – und ebenso wenig für Antworten. Auf dem Gebiet war ich eh noch nie besonders gut.
    Das Erste, was wir tun: Wir bringen alle Advokaten um.
    – William Shakespeare, Heinrich VI.
    Nun … so viel zum Abgesang. Niemand lachte, wenn Big Bill sich hinsetzte, um zu spielen. Er stand nicht auf Filigran, wenn es darum ging, sich mit Anwälten zu befassen.
    Und ich auch nicht – zumindest nicht jetzt. Dieser letzte Ausbruch war vielleicht unnötig, aber was soll’s? Lasst sie doch Drano saufen, wenn sie keinen Spaß verstehen. Ich habe es satt, in dieser Scheiße zu waten.
    Was als schneller und stilvoller Nachruf auf meinen angeblich ehemaligen 300-pfündigen samoanischen Anwalt begann, ist längst außer Kontrolle geraten. Nicht einmal Oscar hätte einen endlosen Nachruf gewollt, zumindest nicht, bevor er wenigstens offiziell für tot erklärt ist, und das braucht noch vier Jahre.
    Bis dann – und wahrscheinlich noch viele Jahre danach – wird die Gerüchteküche keinen Mangel an offiziellen Verlautbarungen haben, an Warnungen und abartigen Fantastereien, der Braune Büffel sei angeblich mal wieder gesichtet worden. Mindestens einmal wird er in Kalkutta gesichtet werden, wo er auf dem Weißen Sklavenmarkt neunjährige Mädchen frisch aus Käfigen aufkauft … und auch in Houston, wo er in einem Wirtshaus an der South Main, das einstmals Blue Fox hieß, hinter der Bar Drinks mixt … oder wieder einmal auf dem Mitternachtsrennen nach Bimini; hoch aufgerichtet im Cockpit eines schwarzen fünfzig Fuß langen Speedboots, mit einer silbernen Uzi in der einen Hand und einer Magnumpulle Heroin in der anderen, Dauergeschwindigkeit neunzig Meilen die Stunde, und dabei aus voller Kehle irgendwelches Kauderwelsch aus dem Alten Testament in den Wind heulend …
    Es könnte sogar passieren, dass er plötzlich auf meiner Veranda in Woody Creek auftaucht in irgendeiner mondlosen Nacht, wenn die Pfauen vor Lust kreischen … und so ein Gespenst ist immer willkommen in diesem Haus, auch wenn es den Kopf voll Acid hat und eine Kette Bullenmaden um den Hals trägt.
    Oscar war einer von Gottes eigenen Prototypen – ein hochkarätiger, energiegeladener Mutant einer Art, die nie für die Massenproduktion vorgesehen war. Er war zu aberwitzig, um zu

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