Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Familie fühlten.
    Es war eindeutig ein seltsamer Haufen. Das Spektrum reichte von ernsten Black Muslims wie Herbert Muhammad, seinem Manager, bis zu ausgekochten weißen Hipsters wie Harold Conrad, seinem offiziellen Sprecher, und dem Iren Gene Kilroy, Alis Version von Hamilton Jordan: vielseitig verwendbarer Assistent, Logistik-Manager und Beseitiger sämtlicher Störungen. Kilroy und Conrad sind die Antwort des Champ auf Harn und Jody im Weißen Haus – aber tollwütige Hunde und Wombats werden durch die feuchten Straßen von Washington schweifen und perfektes Shakespeare-Englisch vor sich hinblubbern, bevor es Jimmy Carter gelingen dürfte, mit seiner Version von Drew »Bundini« Brown herauszukommen, der schon so lange Alis Alter Ego und Hof-Hexenmeister ist, dass er sich an gar nichts anderes mehr erinnern kann. Carters hauchdünner Sinn für Humor würde niemals das Gewicht eines deftigen Freundes wie Bundini tragen. Er würde nicht einmal das weitaus diskretere Gewicht eines Hofnarren wie J.F.K.s Dave Powers aushalten, dessen Rolle im Weißen Haus sich mit der tiefen persönlichen Freundschaft zwischen Bundini Brown und Ali viel besser vergleichen lässt als mit Jordans vorwiegend politischer und scheinbar rein pragmatischer Beziehung zu Jimmy … und sogar Hamilton scheint in diesen Tagen rapide an Gewicht zuzunehmen, sodass es durchaus sein kann, dass er langsam reif ist für einen Plausch mit dem Heiligen Geist, um dann als »wiedergeborener Christ« rauszukommen.
    Das könnte für eine Weile die Chose retten – zumindest durch die 1980er-Wiederwahlkampagne –, aber nicht einmal Jesus könnte Jordan vor einem Schicksal bewahren, das schlimmer sein dürfte als jede Hölle, die er sich je ausgemalt hat, wenn Carter eines Morgens aufwachte und in der Washington Post lesen müsste, dass Hamilton das Große Präsidentensiegel für 500 Dollar in irgendeinem modischen Pfandhaus von Georgetown versetzt hat …
    Genau … und diese verdrehte Vision erschiene ganz sicherlich als zu weit hergeholt, um druckreif zu sein, hätte nicht Bundini zumindest die Möglichkeit dazu angedeutet, indem er einmal Muhammad Alis »Heavyweight Champion of the World«-Gürtel, der mit Gold und Juwelen besetzt ist, für 500 Dollar verpfändete – nur eine Anleihe von einem Freund für eine Nacht, wie er später sagte. Aber es sprach sich rum, und als man dem Champ sagte, was er getan hatte, wurde er für achtzehn Monate aus der Familie und dem Reisetross ausgestoßen.
    Jenes abscheuliche Vergehen ist jetzt weggeschwafelt in einer Mischung aus schwarzem Tratsch und echtem schwarzen Humor: Schließlich hatte auch der Champ einmal in einem Anfall von Groll über angeblich rassistische Beleidigungen in Louisville seine Goldmedaille in den Ohio River geworfen – und was war der Unterschied zwischen einer Goldmedaille und einem juwelenbesetzten Gürtel? Beide waren Symbole einer Welt der »weißen Teufel«, die Ali, wenn auch nicht Bundini, schon mit einem sehr kalkulierten Maß von öffentlicher Missachtung zu behandeln lernte … Was sie weit über eine echte Freundschaft hinaus gemeinsam hatten, war ein ausgebuffter Sinn dafür, wie weit sie sich hinauswagen konnten, ohne abzustürzen. Bundini hatte immer ein feineres Gespür als jeder andere in der Family dafür, wohin der Champ gehen wollte ; er verstand die Wechselhaftigkeit seiner Instinkte, und er hat sich nie Sorgen um Grenzen oder Konsequenzen gemacht. Das überließ er Leuten wie Conrad oder Herbert. Drew B. hat immer sehr genau gewusst, auf wessen Seite er stand, und Cassius/Muhammad ebenso. Bundini ist der Mann, der den Spruch »Float like a Butterfly, Sting like a Bee« erfand, und seither stand er sowohl Cassius Clay wie Muhammad Ali näher als irgendjemand sonst auf der Welt.
    Im Gegensatz dazu war Pat Patterson eher ein Neuling in der Family. Er war ein hundert Kilo schwerer und vierzig Jahre alter schwarzer Polizist, der lange bei der Sitte in Chicago Dienst gemacht hatte, bevor er als Alis persönlicher Leibwächter angeheuert wurde. Und obwohl er sich seiner Verantwortung dafür, den Champ zu allen Zeiten vor jeglicher Art von Gefahr, Belästigung und sogar kleinen Unannehmlichkeiten zu bewahren, mit totaler Hingabe und schonungslosem Eifer widmete, hatten ihn doch sechs Jahre in dem Job gelehrt, wenn auch widerstrebend, einzusehen, dass es trotzdem einige Leute gab, die die Schranken absoluter Sicherheit, die er um den Champ errichten und aufrechterhalten sollte,