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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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arbeitet, ist sie auch die Grenzlinie zwischen Vertrauen und Argwohn. Und davon hängt ab, ob man freien Zugang zur Wahrheit bekommt oder behandelt wird wie ein Spion. Auf dieser Ebene existiert so etwas wie »Vergebung« nicht: Einmal richtig Scheiße gebaut, und sie schicken dich auf der Stelle zurück in die Sportredaktion – wenn du Glück hast.
    In Oscars Fall gab es nur einen einzigen Grund, warum ich ihn in dem Buch als 300-pfündigen Samoaner bezeichnete und nicht als 200-pfündigen Chicano-Anwalt: um ihn vor der zornigen Rache der L.-A.-Cops und des gesamten juristischen Establishments von Kalifornien zu bewahren, mit denen er sich in ständigem Kriegszustand befand. Keiner von uns beiden hätte etwas davon gehabt, wenn man ihn einbuchtete oder ihm wegen irgendeiner Geschichte die Lizenz entzog, die ich über ihn geschrieben hatte. Ich hatte auch einen Ruf zu verlieren.
    Die Anwälte konnten so weit folgen. Ihre Sorge war nur, ich hätte »meinen Anwalt« nicht hinreichend geschützt, um auch die Verleger des Buches vor einer Klage wegen Rufmords zu schützen – gesetzt den Fall, mein Anwalt war tatsächlich so verrückt, wie er in dem Manuskript dargestellt wurde, gegen das sie soeben ihr Veto eingelegt hatten … oder womöglich gar unzurechnungsfähig; immerhin war er Anwalt und hatte vermutlich ebenso hart und ebenso lange Jahre wie sie gearbeitet, um sich die Lizenz zum Diebstahl zu verdienen. Sie fanden es unvorstellbar, dass sozusagen »einer der ihren« bereit war, all das aus einer puren Laune heraus aufzugeben. Nein, sagten sie, es muss eine Falle sein: Nicht einmal ein »Brown Power«-Notar könne sich erlauben, auf das Risiko eines fast unvermeidlichen Ausschlusses aus der Anwaltskammer zu pfeifen.
    Genau. Und sie hatten zumindest halbwegs recht – was ja für Anwälte kein schlechter Schnitt ist –, denn Oscar Z. Acosta, Chicano-Anwalt, konnte sich wirklich nicht die Hagelschauer selbstmörderischer Publicity leisten, die er offenbar mit aller Kraft auf sich niedergehen lassen wollte. Es gibt allerhand hübsche Möglichkeiten, sich wie ein Krimineller zu benehmen – aber einen Fotografen zu bestellen, damit er einen dabei ablichtet, wie man es mitten auf der Straße und am helllichten Tag treibt, gehört gewiss nicht dazu. Man hätte schon einen so formidablen Ruf wie Melvin Belli haben müssen – wenn man das hemmungslos illegale Verhalten überleben wollte, das Oscar eingestand, indem er die Verzichtserklärung unterschrieb. Er hätte ebenso gut seine Anwaltslizenz auf den Stufen des Obersten Gerichts im Zentrum von L. A. verbrennen können.
    Das war es, was die Ivy-League-Anwälte in New York nicht akzeptieren konnten. Sie wussten , was jene Lizenz wert war – ihnen brachte sie durchschnittlich 150 Dollar die Stunde –, und das galt auch für einen Borderline-Psychotiker, wenn er nur die nötigen Beglaubigungspapiere vorweisen konnte.
    Genau das konnte Oscar – nicht weil sein Vater oder sein Großvater Yale oder Harvard besucht hatten. Nein, er hatte sich in der Abendschule durchgeboxt, und zwar als einziger Chicano in seiner Klasse. Und seine Erfolgsquote in den Gerichtssälen war besser als die der meisten seiner Kollegen, die ihn als Schande für ihre korrupte Zunft bezeichneten.
    Was durchaus zutreffend gewesen sein mag … aber in der Zeit des großen Wahnsinns, der fast dafür gesorgt hätte, die Veröffentlichung von Angst und Schrecken in Las Vegas restlos zu torpedieren, wusste niemand von uns, dass wir es nicht mehr mit O. Z. Acosta, Anwalt bei Gericht, zu tun hatten – sondern mit Zeta, dem König der Braunen Büffel.
    Rückblickend lässt sich schwer sagen, wann genau Oscar sich entschloss, die Juristerei an den Nagel zu hängen, und zwar ebenso endgültig, wie er sich einmal entschlossen hatte, den Beruf des Baptisten-Missionars an den Nagel zu hängen – aber es war offenbar weitaus früher, als sogar seine wenigen engen Freunde ahnten, denn schon lange zuvor hatte er im Geist den Schritt vollzogen, der ihn an einen neuen, höheren Ort bringen sollte. Der irre Anwalt, dessen »selbstmörderisches Verhalten« den Verlagsanwälten aus N. Y. solche Rätsel aufgab, war nichts als die Tarnhülle eines 36-jährigen Neo-Propheten, dessen großer Auftritt auf dem Gipfel des Berges schon lange überfällig war.
    Er hatte keine Zeit mehr in Gesellschaft von Aussätzigen und Anwälten zu verschwenden. Dem fetten Spic aus Riverbank hatte die Stunde geschlagen, und er musste

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