Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Fußboden ausbreitet. Eines der Gepäckstücke sieht aus wie eine zusammengerollte Schlafdecke, bei einem anderen handelt es sich um eine merkwürdig aussehende Umhängetasche. Außerdem sind da noch ein Tonbandgerät, ein Aktenkoffer und eine braune Papiertüte – und all das verstreut er nun auf dem edlen Marmorfußboden der Halle inmitten der Leute, die ein und aus gehen.
Zuerst nimmt er sich den Aktenkoffer vor, indem er ihn einfach auskippt, dann schnappt er sich die Umhängetasche. Seine Hände huschen auf und ab wie bei einem Jongleur, während er diverse Gegenstände durch die Luft wirbeln lässt: als Erstes eine Flasche Heineken, die anschließend über den Boden kullert, dann eine Flasche Wild Turkey, dann einen Schuh und schließlich eine zweite Flasche Heineken.
Schließlich erreicht der Doktor den Grund der Tasche und bringt ein Rasierset zum Vorschein. Er klappt es auf. Heureka! Da ist der Geldbeutel. Er hatte ihn in den Beutel mit dem Rasierset getan. Wohin denn sonst?
Schließlich hat er das Einchecken hinter sich gebracht, und ich geleite ihn mit stark gemischten Gefühlen zu Alis Suite.
Ich weiß nicht, wie der Doktor es angestellt hat, aber irgendwie hat er es geschafft, mit Ali klarzukommen. Das Interview gehört zu den besten, die ich je gelesen hatte, und ich halte Der letzte Tango in Vegas für brillant, auch wenn er mich darin als Schweineficker tituliert hat.
Der letzte Tango in Vegas: Angst und Schrecken im Nebenzimmer und im entfernten Raum
4. und 18. Mai 1978
Wenn ich weg bin, wird das Boxen wieder nichts mehr sein. Die Fans mit den Zigarren und den nach unten geklappten Hutkrempen, die werden da sein, aber keine Hausfrauen mehr und keine kleinen Leute von der Straße und Präsidenten fremder Länder. Es wird wieder so sein wie damals: Der Boxer kommt in die Stadt, riecht an einer Blume, besucht ein Krankenhaus, stößt mal kurz in ein Horn und sagt, er ist gut in Form. Alter Hut. Ich war der einzigste Boxer in der Geschichte, dem die Leute Fragen gestellt haben wie einem Senator.
– Muhammad Ali 1967
Das Leben meinte es mit Pat Patterson schon so lange gut, dass er fast vergessen hatte, wie es war, wenn man kein verwöhnter, auf Einladung reisender Erste-Klasse-Passagier auf einem Flug hoch über der Welt ist …
Es ist ein langer, langer Weg von den frostkalten mitternächtlichen Straßen um Chicagos Clark und Division bis in die mit weichen Teppichen ausgelegten Flure des Park Lane Hotel am Central Park South in Manhattan … Aber Patterson hatte den Trip in großem Stil hinter sich gebracht, mit Zwischenstationen in London, Paris, Manila, Kinshasa, Kuala Lumpur, Tokio und überall sonst auf der Welt, auf jener Runde, wo die Speisekarten keine Preise ausweisen und man mindestens drei Paar Sonnenbrillen zum Stückpreis von 100 Dollar benötigt, nur um sich gegen die grellen Fernsehscheinwerfer zu schützen, wenn man auf einem Flughafen landet und dort eine weitere turbulente Pressekonferenz durchstehen muss, bevor man zu einer Konfettiparade Richtung Präsidentenpalast und einem weiteren königlichen Empfang aufbricht.
Das ist die Welt von Muhammad Ali. Eine hohe Umlaufbahn, wo alles rasend schnell geht und die Luft so dünn und kostbar ist, dass nur »The Champ«, »The Greatest« und noch ein paar enge Freunde unbegrenzte Atemrechte haben. Jeder, der seinen einstündigen Auftritt für fünf Millionen Dollar an die ganze Welt verkaufen kann, arbeitet auf einem Terrain zwischen Magie und Wahnsinn … Und jetzt, an diesem warmen Winterabend in Manhattan, war sich Pat Patterson gar nicht sicher, nach welcher Seite die Waage sich neigte. Der große Schock war vor drei Wochen in Las Vegas gekommen, als er untätig am Ring sitzen und mit ansehen musste, wie der Mann, dessen Leben zu schützen er unter anderen Voraussetzungen liebend gerne das eigene eingesetzt hätte, vor fünftausend kreischenden Geiern im Hilton Hotel und ungefähr 60 Millionen bestürzten Fernsehzuschauern allein in den USA eine grausame und völlig unerwartete Niederlage hinnehmen musste. The Champ war nicht mehr The Champ: ein junger Schläger namens Leon Spinks hatte die Angelegenheit erledigt, und nicht einmal Muhammad selbst schien genau zu wissen, was diese schreckliche Niederlage bedeutete – für ihn selbst wie für alle anderen, und besonders für seine neue Frau und seine Kinder oder die Handvoll Freunde und Ratgeber, die da oben schon so lange mit ihm arbeiteten, dass sie sich wie ein Teil seiner
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