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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Hotel lautete:
    WILLKOMMEN: PORNOFILM-PRÄSIDENTEN
    STUDEBAKER-GESELLSCHAFT
    CASINO/KENO IN DER LOUNGE
    »Halt gleich hier vorne an«, sagte der Richter. »Und keine Sorge. Man kennt mich hier.«
    Mich auch, aber das erwähnte ich nicht. Ich war seit vielen Jahren wohlbekannt im Commercial, noch aus der Zeit, als ich ziemlich viel zwischen Denver und San Francisco hin- und hergefahren war – normalerweise wegen geschäftlicher Dinge oder auch wegen der Kunst, und speziell an diesem Wochenende wollte ich in Ruhe ein paar alte Freunde und Geschäftspartner vom Board-Aufsichtsrat der Adult Film Association Amerikas treffen. Ich war immerhin der Nachtportier des berühmten O’Farell-Theaters in San Francisco – der »Carnegie Hall des amerikanischen Sex«.
    Ich war sogar der Ehrengast – aber ich sah keinen Grund, diese Dinge dem Richter anzuvertrauen, einem absolut Fremden, der weder Ausweis noch Geld und einen sehr aggressiven Lebensstil hatte. So waren wir also auf dem Weg ins Commercial Hotel, um uns von einigen seiner Freunde der Pornoindustrie Geld zu leihen.
    Was soll’s zum Teufel, dachte ich. Es ist nur Rock ’n’ Roll. Und er war schließlich ein ganz spezieller Richter … Oder vielleicht auch nicht. Nach allem, was ich wusste, war er ein krimineller Zuhälter, dessen Fingerabdrücke nicht registriert waren, oder ein wohlhabender schwarzer Schafhirte aus Spanien. Aber es spielte kaum eine Rolle. Er war ein guter Gefährte (wenn man auf schräge Sachen stand – und das tat ich in diesen Tagen. Und der Richter, wie mir schien, auch). Er hatte einen sonderbaren Sinn für Humor, eine schnelle Auffassungsgabe und keine Angst vor gar nichts.
    Der Haupteingang des Commercial sah seltsamerweise ziemlich überfüllt aus für diese Zeit, nachts in einem üblen Regensturm, deshalb wendete ich und fuhr langsam und in niedrigem Gang um den Block.
    »In der Queer Street gibt es einen Seiteneingang«, sagte ich zum Richter, als wir durch eine Flut von schwarzem Wasser brausten. Er wirkte aufgewühlt, was mich ein wenig besorgte.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte ich. »Wir wollen hier keine große Szene machen. Wir wollen nur das Geld.«
    »Keine Sorge«, sagte er. »Ich kenne diese Leute. Es sind Freunde. Was ist schon Geld. Sie werden sich freuen, mich zu sehen.«
    Wir kamen über den Eingang des Casinos ins Hotel. Der Richter schien entspannt und konzentriert zu sein, bis wir um die Ecke bogen und plötzlich einem elf Fuß großen Polarbären von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, der sich auf seine Hinterbeine aufgerichtet hatte und bereit war zuzuschlagen. Bei diesem Anblick verwandelte sich der Richter in Gelee. »Ich habe genug von diesem gottverdammten Biest«, rief er. »Das hat hier nichts verloren. Wir sollten ihm den Kopf wegpusten.«
    Ich nahm ihn am Arm. »Beruhigen Sie sich, Richter«, sagte ich ihm. »Das ist White King. Er ist seit dreiunddreißig Jahren tot.«
    Der Richter hatte keinen Sinn für Tiere. Er gewann die Fassung wieder, und wir schwangen uns in die Lobby, wo wir uns der Rezeption von hinten näherten. Ich zögerte – es war spät geworden, und die Lobby war voller verdächtig aussehender Nachzügler der Pornofilm-Szene. Private Cowboy-Bullen, die Sechsschüsser in offenen Halftern trugen, standen herum. Unsere Ankunft blieb nicht unbemerkt.
    Der Richter schien zu wissen, was er tat, aber es lang etwas Bedrohliches in der Art, wie er zum Rezeptionisten stolzierte und mit beiden Händen auf die Marmortheke schlug. Plötzlich herrschte in der Lobby dicke Luft, und ich entfernte mich schnell, als der Richter zu schreien begann und auf die Decke zeigte.
    »Reden Sie doch keinen Müll«, bellte er. »Diese Leute sind meine Freunde. Sie erwarten mich. Rufen Sie noch mal in dem gottverdammten Zimmer an.« Der Rezeptionist murmelte etwas von der ausdrücklichen Anweisung, nicht zu …
    Plötzlich streckte der Richter die Hände über die Theke und griff sich das Haustelefon. »Wie ist die Nummer?«, schnauzte er. »Ich werde selbst anrufen.« Schnell riss der Rezeptionist dem Richter das Telefon aus den Händen und fuhr mit ausgestrecktem Zeigefinger über seinen Hals. Der Richter warf einen Blick auf die heranstürmenden Sicherheitsmänner und änderte den Tonfall.
    »Ich möchte einen Scheck einlösen«, sagte er ruhig.
    »Einen Scheck ?«, sagte der Rezeptionist. »Klare Sache, Freundchen. Ich werde Ihren gottverdammten Scheck einlösen.« Er packte den Richter am Kragen und lachte.

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