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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Café nenne, weil ich das Wort Café mag und die Süßlichkeit des anderen Namens nicht ertragen kann) …
    Wir waren gekommen, um die Konfrontation zu suchen, um uns unverblümt mit dem Mann zu unterhalten, von dem wir überzeugt waren, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident sein würde – wenn nicht … Man erinnere sich an Willie Horton. Man erinnere sich an Gary Hart. In der Tat. Es sind eine Menge Zimmer in der Villa, und es wird immer Wrackteile auf der Überholspur geben. Das hier sind die Neunziger, Bubba, und so etwas wie Paranoia gibt es nicht. Alles ist wahr.
    So ist es vermutlich nicht fair, Clinton als feigen Verrückten abzutun, dass er besorgt war, als ihm sein Assistent einen bisher nie da gewesenen und völlig unvorhersehbaren Lunch-Termin organisierte … Es war auf alle Fälle ein hochriskantes Unterfangen, und dafür musste ich ihn mögen.
    Trotzdem war es ziemlich offensichtlich, als wir uns mit dem nächsten Präsidenten zu einem Lunch aus Tamales, Thunfisch und Pommes frites setzten, dass er nicht sehr scharf darauf war, hier zu sein. Er verhielt sich wunderlich und unaufmerksam und quetschte meine Knöchel, als wir uns die Hand schüttelten. Ich schrie auf vor Schmerz, und Jann ging dazwischen, indem er sagte: »Beruhigen Sie sich, Gouverneur. Wir sind auf Ihrer Seite.«
    Ich nickte kleinlaut und setzte mich auf einen Stuhl aus Blech, entweder am Fuß- oder Kopfende des Tisches, und nahm natürlich an, der Kandidat würde am anderen Ende sitzen, weit weg von mir.
    Aber nein . Der gruselige Bastard setzte sich direkt neben mich , ungefähr zwei Fuß entfernt, und fixierte mich mit einem verschlafen aussehenden Blick, bei dem ich mich sehr unbehaglich fühlte. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, und zuerst dachte ich schon, er würde eindösen … Aber er schien sehr angespannt, so als wäre er bereit, sofort loszuschlagen.
    Mein Gott, dachte ich. Was passiert hier gerade? So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Das Interview entwickelte sich in eine seltsame Richtung, genauso wie der Gouverneur … Niemand sonst schien zu bemerken, dass ich gelähmt war vor Angst. Aber es war nicht so, dass ich hirntot gewesen wäre. Genau in dem Moment, als ich das Gefühl hatte, gleich in Ohnmacht zu fallen, fiel mir wieder ein, dass ich ein Geschenk für Clinton hatte, der mich immer noch düster anstarrte.
    Ich langte geschwind in meine zerzauste Hemdtasche und zog ein nagelneues Vandoren-Tenorsaxofonblatt hervor, das mir von Fulton, dem berühmten Fotografen aus Aspen, anvertraut worden war, der ebenso Tenorsaxofon spielte und Clintons Auftritt bei Arsenio mitverfolgt hatte.
    Ich erregte die Aufmerksamkeit des Gouverneurs, indem ich das schicke kleine Rohrblatt direkt vor seinen Augen sanft schwingend hin und her bewegte, bis er allmählich zu neuem Leben erwachte und mich anlächelte. Mann, verdammt, dachte ich. Das war knapp . Er scheint jetzt fast freundlich zu sein. Ich erklärte, dass das Blatt ein Geschenk von einem Musikerfreund sei, der ihm alles Gute wünsche, dann drückte ich es ihm in seine ausgestreckte Handfläche. Die Jungs vom Secret Service reagierten wie Dobermänner, als ich unverhofft körperlichen Kontakt mit dem Kandidaten aufnahm und ihm dann ein kleines unidentifizierbares Objekt gab, das er in seinen Mund stecken sollte, aber ich winkte sie mit einem freundlichen Lächeln zurück. »Entspannt euch, Boys«, sagte ich. »Es ist nur ein harmloses Blatt – eine Reverenz an die Kunst des Gouverneurs.«
    Was als Nächstes passierte, war so seltsam, dass ich nur mit den Schultern gezuckt und es einfach wieder vergessen hätte wie eine dieser zufälligen paranoiden Halluzinationen, die dann und wann selbst ganz gesunde Menschen heimsuchen – nur dass ich die ganze Szene auf einem Sony-Hi8-Metal-E-60-Videotape habe, und es waren außerdem fünf oder sechs Zeugen da, die sich hinterher an den Vorfall in aller Klarheit erinnerten, aber auch mit der erschrockenen Bestürzung, dass zu diesem Zeitpunkt keiner von ihnen darüber reden oder es auch nur zur Kenntnis nehmen wollte. Aber es war die Wahrheit:
    Clinton starrte scheinbar endlos finster auf das Blatt, wie ein Schimpanse, der sich zum ersten Mal selbst im Spiegel sieht … Es lag eine Spur von Verwirrung in seinem Gesicht, als er still und leise über das Ding sinnierte.
    Es war ein heikler Augenblick, Bubba. Sehr heikel. Niemand wusste, wie er damit umgehen sollte. Er schien unglücklich zu sein, fast

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