Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Greyhound-Busses in einem Jet – mit nur sechs Sitzen, zwei Telefonen und goldbeschlagenen Armaturen in einem Badezimmer, das größer war als die Redaktionsräume des Rolling Stone . Wir waren die Einsatztruppe, das Rolling Stone -Elite-Präsidenten-Forum – mit 600 Meilen pro Stunde im Anflug auf Little Rock, um Clinton zu konfrontieren, um zu sehen, wer er wirklich war.
    Niemand weiß, was ein RS -Cover einem Kandidaten an vorderster Front wirklich wert ist – doch es war überhaupt keine Frage, dass grässliche Dinge geschehen würden, wenn das Mittagessen aus dem Ruder lief. Diese betrunkenen, gehirngeschädigten Unmenschen waren zu allem in der Lage.
    Was in einigen Städten unter Umständen ein guter Ruf sein kann – nicht aber in Little Rock, wenn man sich öffentlich mit dem nächsten Präsidenten trifft, bei voller Präsenz der nationalen Presse und vierzehn Wachhunden des Secret Service. Niemand braucht eine Schlagzeile wie »Clinton bei wilder Schlägerei mit Drogensüchtigen verletzt: Kandidat leugnet Trunkenheit, sagt Busreise ab, flieht.«
    Nun gut … das ist nicht gerade passiert. Es war, glaube ich, T. S. Eliot, der schrieb: »Zwischen die Idee und die Wirklichkeit fällt der Schatten.«
    Und der war wohl ich .
    Ich war der Schatten. Bill Clinton war es nicht angenehm, im gleichen Raum wie ich zu sein. Er ist schließlich Berufspolitiker, nur ungefähr hundert Tage von der Präsidentschaft entfernt – vorausgesetzt, er macht bis zum Wahltag keinen Fehler –, und im Hinterzimmer einer Grill-Bar im Zentrum eines Tumults zu stehen wäre definitiv ein Fehler.
    Ah, aber wir greifen der Geschichte vor.
    Gehen wir zurück, ungefähr zwanzig Stunden, zu unserem überfallartigen Eintreffen am Flughafen von Little Rock – wo ein großes blaues und weißes Schild, größer als zwei Greyhound-Busse, verkündete: »Little Rock ist Bush-Country.«
    »O mein Gott«, murmelte ich P. J. zu. »Was machen wir hier?«
    »Das musst du selbst wissen«, sagte er. »Ich fühle mich hier zu Hause.«
    »Klar«, sagte ich. »Du Nazischwein.«
    Er grinste und nahm noch ein weiteres Percodan, um die Schmerzen in seinem Zahnfleisch zu lindern.
    »Hast du noch welche davon?«, fragte ich ihn. »Meine Bandscheibe bringt mich um.«
    »Nein«, sagte er. »Ich habe alle Greider gegeben. Ich konnte seine Schmerzensschreie nicht mehr ertragen.«
    Wir waren alle verletzt. Das Flugzeug war das reinste Bürgerkriegslazarett. Bill Greider, unsere graue Eminenz , hatte sich nur zwei Stunden zuvor auf der Rollbahn des Flughafens von Teterboro, New Jersey, sämtliche Sehnen seines Knies bei einem verrückten Unfall gerissen, und er litt unter extremen Schmerzen.
    »Keine Sorge, Bubba«, sagte ich zu ihm. »Ich bin Doktor. Hier, nimm diese Tabletten.« Ich verabreichte ihm sechzehn Advils, gegen die er sich zunächst sträubte, dann aber trotzdem schluckte.
    »Ich kann Schmerzen nicht ertragen«, sagte ich. »Ich will nicht mal in ihrer Nähe sein.«
    »Gott sei Dank bist du hier, Doc«, sagte Bill. »Wir sitzen alle in einem Boot.«
    Dieser elegante Spruch, Zeugnis von Brüderschaft unter Druck, sollte in den nächsten zwanzig Stunden ernsthaft auf die Probe gestellt werden … Es war ein Albtraum nach dem anderen, als wir in Mr. Bills Nachbarschaft eintauchten.
    Heilige Scheiße, ich hätte es wissen müssen! Ja. Jetzt sehe ich alles klar vor mir. Ich war blind wie eine Fledermaus, doch das sollte sich ändern … Also, lass es mich mit dir teilen, Bubba: die Früchte meiner hart erarbeiteten Weisheit. Halt dich fest!
    Bill Clinton hat keinen Sinn für Humor . Er isst eine Menge Pommes frites und lacht in den falschen Momenten und zeigt oftmals klinische Symptome von Schizophrenie. Er erkennt aber einen guten Deal, wenn er einen sieht, und an diesem trüben Freitagmorgen waren wir der gute Deal, nach dem er Ausschau gehalten hatte – The Three Stooges, die direkt mit einem großen Jet aus New York angeflogen waren, um den Deal angemessen zu besiegeln.
    Versteh mich nicht falsch, Bubba. Wir hatten Spaß , trotz unserer verschiedensten lähmenden Verletzungen und trotz der Demütigung, als Clinton jeden Gedanken, den ich äußerte, und jede Frage, die ich stellte, zurückwies, als wäre ich ein krimineller Irrer …
    Das Treffen fand im Hinterzimmer einer künstlich auf alt getrimmten Replik eines ganz gewöhnlichen Südstaaten-Diners statt, das den Namen Doe’s Eat Place trug (das ich im Folgenden und auch im Vorangegangenen Doe’s