Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Er blickte mich ein weiteres Mal mit diesem verrückten, verschlafen-starrenden Blick an und wünschte mir alles Gute für mein weiteres Leben.
Ich gehe jetzt zurück ans Reißbrett, um mit einem besseren und überzeugenderen Argument wiederzukommen, im November für Clinton zu stimmen – was ich vorhabe zu tun, doch meine Gründe dafür sind heute nicht konkreter, als sie es beim Hinflug nach Little Rock waren. Ich mag ihn ein wenig mehr, aber nichts von dem, was er während des Gesprächs sagte, konnte irgendjemanden begeistern außer vielleicht Bullen, Geldhändler und elitäre Politikstreber.
Machen wir uns nichts vor, Bubba. Der Hauptgrund, dass ich für Clinton stimmen werde, heißt George Bush , und so war es von Anfang an … Da führt (für mich) nichts daran vorbei und es gibt keinen Grund, sich dafür zu entschuldigen. George Bush ist ein auf gefährliche Weise gescheiterter Präsident und ein zwielichtiger Nerd auf höchster Ebene, der die letzten vier Jahre dazu verwandte, Lebensmittelgeschäfte und Tankstellen zu vermeiden, während er versuchte, die vernichtenden Nachwirkungen der Gier-Orgie und des Ausverkaufs im Auge zu behalten, die man die »Reagan-Revolution« nannte.
Doch ich bin immer noch unfähig zu erklären, warum ich sehr stark der Ansicht bin, dass man Clinton wählen sollte. Einzig, dass weitere vier Jahre des Reagan-Bush-Bundes den Tod der Hoffnung und den Verlust von jeglichem Sinn für die Möglichkeiten von Politik für eine ganze Generation bedeuten würden, die verzweifelt danach sucht, um dem Untergang zu entgehen.
Das ist Grund genug, für Clinton zu stimmen. Es hilft, dass ich ihn als Mensch mag und seinen Qualifikationen als Politiker genug vertraue, um ihm gelegentlich den Rücken kehren zu können, wenn er ins Weiße Haus zieht – was er, glaube ich, tun wird –, und ich werde ihn auf jede mögliche Weise dabei unterstützen – ohne so weit zu gehen, eine schriftliche Garantie abzugeben, dass Präsident Clinton/Gore alle unsere Probleme lösen und jedem, der ihn wählt vierzig Acres Land und ein Maultier geben wird.
Niemand wird dies tun. George Bush am allerwenigsten. Aber Bill Clinton wird es zumindest versuchen , und das reicht mir schon. Er ist ein Spieler, der voll auf Risiko geht, und er kann einen Schlag besser einstecken als jeder andere seit Muhammad Ali …
Was also soll’s? Lasst uns diese Ratten aus dem Tempel verscheuchen und einen unserer Leute übernehmen. Wir haben nichts zu verlieren außer Spaß und die Freude, dabei zuzusehen, wie ein ernsthafter Rabauke in den Krieg gegen die Gierköpfe zieht. Warum nicht? Es geht los.
Brief an William Greider
27. Januar 1994
An: William Greider
Von: Hunter S. Thompson
Datum: 22. Nov. 1993
Also gut, du hast dieses Schwindelgefühl von neulich ja wieder ordentlich wettgemacht, oder? Bestimmt hast du ihn über die verdammte Bank in Bangladesch ausgefragt … Shit, warum wird’s bei dir immer gleich extrem, Bill? Warum findest du keinen entspannten Mittelweg, so wie ich?
Wie auch immer, es war ein magischer Moment des amerikanischen Journalismus – und zweifellos auch dir eine ganz persönliche Lehre. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.
Dann aber wäre es gar nicht so gelaufen, stimmt’s? Nein, ich wäre mit ihm umgesprungen wie ein Matador. Er hätte seine trüben kleinen Augen auf mich gerichtet, & ihr unterirdisch pingeligen Bastarde hättet herumscharwenzeln können – und er hätte euch wie Mädchen behandelt, mit kleinen Avancen & einem feierlichen Nicken von Zeit zu Zeit, hätte deine wichtigsten Argumente massiert & unter dem Tisch mit dir gefüßelt, wie er es schon im Halbdunkel bei Doe’s gemacht hat …
Meine Güte. Wie tief sind wir schon gesunken? So viel zur Stimme für den Rock ’n’ Roll, was? Sind wir jetzt auf dem Niveau der Gewerkschaften?
Und du bist schuld . Blechkopf. DU warst es, der von der engen Beziehung gequakt hat, die eine GANZE GENERATION mit dem amerikanischen Präsidenten hätte haben können. Was für eine berserkerhafte Selbstüberschätzung hat dich dazu gebracht, einen persönlichen Streit mit dem Präsidenten anzufangen, wenn du doch wusstest , dass das SCHICKSAL VON GENERATIONEN in deinen laschen Händen lag. Welche Verrücktheit hat dich dazu getrieben, IHRE Nester zu BESCHMUTZEN?
An deiner Stelle würde ich mit der ganzen Familie in die Türkei aufs Land ziehen und versuchen, Gedichte zu schreiben, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Mehr ist da nicht
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