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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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wütend, als er gedankenverloren über das Blatt strich, ohne ein Wort zu sagen … Dann rollte er seine Augen zurück in seinen Kopf und stieß einen wilden bebenden Schrei aus, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Die anderen taten so, als sei nichts passiert. Wir waren schließlich im Süden – und auf verschlungenen Wegen waren wir auch so etwas wie Gäste des Gouverneurs. Oder vielleicht war er auch unserer . Wer weiß? Aber es gab überhaupt keinen Zweifel, dass hier irgendjemand mit nicht hinnehmbarer Grobheit eine Grenze überschritten hatte, und das war nicht ich. Greider schluchzte leise, und P. J. hing schlaff auf seinem Stuhl. Jann begann angestrengt etwas vom »Generationenkonflikt« zu plappern. Ein Leichentuch aus hilfloser Verrücktheit legte sich über den Tisch, eine Ahnung kommender Schrecken …
    Dann legte der Gouverneur das Blatt auf den Tisch, als handelte es sich um ein weiteres angebissenes Kartoffelstück, streifte es ausdruckslos zur Seite und lächelte uns plötzlich alle warm an, als wäre er gerade aus einer Höhle gekommen und wäre froh, unter Freunden zu sein. »Keine Musik mehr«, sagte er beherzt. »Lasst uns was essen, ich bin hungrig .« Dann griff er mit beiden Händen nach dem Weidenkorb mit den Pommes frites und steckte sein Gesicht hinein; dabei machte er leicht schnaubende Geräusche, wie er so in dem Korb herumstöberte und vergeblich versuchte, ihn leer zu machen.
    Ich war ängstlich, aber Jann hatte sich schnell gefasst. »Cool, Gouverneur, alles cool«, sagte er mit sanfter Stimme. »Lassen Sie mich Ihnen helfen dabei, Bill. Verdammt, wir sind alle hungrig.« Er lächelte und langte nach dem halb leeren Fritten-Korb, als wollte er die Last teilen – doch Clinton schnappte ihn weg, presste ihn an seine Brust und drehte uns den Rücken zu – ein schrecklicher Anblick.
    Irgendwo hörte ich hinter mir ein zischendes, stöhnendes Geräusch, als Eric, unser unglückseliger Redakteur, aufstand und aus dem Raum flüchtete, zwischen zwei erschrockenen SS-Agenten hindurchstürmte und sich in der Toilette einsperrte. Ich hörte ein Krächzen, dann die Wasserspülung.
    Na gut, dachte ich. Hier geht es wahrscheinlich darum, wie verrückt es werden kann, ohne dass jemand von uns ins Gefängnis wandert, warum also nicht entspannt bleiben und sich ganz normal verhalten – oder es zumindest versuchen? Solche Dinge passieren nun mal. Buy the ticket, take the ride. Willkommen in Mr. Bills Nachbarschaft.
    Die Weisheit
    Ich verließ Little Rock mit gemischten Gefühlen. Bill Clinton und ich haben uns nicht gerade gut verstanden, aber was soll’s? Ich bin schon vor langer Zeit in die Politik eingetaucht und glaube immer noch an manchen Tagen, dass es ein ehrenhaftes Geschäft sein kann … Das ist keine Selbstverständlichkeit, nachdem man sich dreißig Jahre im Bauch der Bestie gewälzt hat, die wiederum mehr gute Männer und Frauen gebrochen hat als Crack und alle Ramschanleihen zusammen. Politik ist ein böses Geschäft, und wenn in einem Wahlkampf der September heranrollt, wird es noch einmal so böse, dass sich die meisten Menschen darüber gar keine Vorstellung machen. Das Weiße Haus ist das mächtigste Büro der Welt, und eine Menge Leute werden einem erzählen, dass nichts wirklich grenzwertig ist, wenn es am Ende darum geht, wer hier gewinnt oder verliert. Niemand ist sicher und nichts heilig, wenn die Latte dermaßen hoch hängt. Es ist die ultimative Überholspur, und diejenigen, die im September immer noch gerade stehen können, sind gewöhnlich die Bösesten der Bösen. Der letzte Zug, der den Bahnhof verlässt, wird nicht voller liebenswürdiger Jungs sein.
    Man muss sich nur Bush anschauen. Er hat Überstunden gemacht, um der Politik ein schlechtes Ansehen zu verleihen. Er ist eine bösartige Niete und ein karrieristischer Bürokrat, der wohl mehr schwere Verbrechen und Vergehen im und am Oval Office begangen hat, als es Nixon jemals geschafft hätte, wäre er nicht zurückgetreten … Nixon war von Natur aus verlogen, und so ist es auch mit Bush. Beide stehen für das, was Bobby Kennedy »die dunkle Seite der amerikanischen Seele …« genannt hat.
    Bill Clinton aber gehört nicht dazu. Das ist der Kern der Sache. Clinton ist ein anständiger Mann und eine Ehre für sein Geschlecht … Haha. Das war nur ein Witz, Bubba. Bush würde nicht darüber lachen, und auch Mr. Bill lachte nicht, als ich seine Hand schüttelte und ihm dies mit einem netten Lächeln sagte.

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