Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
war, hatte er dafür gesorgt, dass sein Name in die Postverteilerlisten verschiedener politischer Institutionen und Strafverfolgungsbehörden aufgenommen wurde. Als ihm diese Einladung dann tatsächlich ins Haus geflattert kam, verschwendete er keine Zeit und ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Das Resultat war eine mitreißende Story, die während der Arbeit an dem Salazar-Artikel begonnen wurde und die nach wie vor einen absoluten Sonderplatz in Hunters Schaffen einnimmt.
»Die Arbeit mit Hunter war so etwas wie Händchenhalten im großen Stil«, sagte Wenner. »Es bedeutete, dass man mindestens zwei oder drei Leute dafür abstellen musste, mich selbst eingeschlossen. Für einen Einzelnen wäre diese Aufgabe nicht zu bewältigen gewesen, was sowohl durch seine Arbeitszeiten als auch durch sein Arbeitstempo bedingt war. Er hatte es gern, wenn eine ganze Mannschaft von Leuten an seinen Sachen arbeitete. Er mochte Gesellschaft, und er genoss die Krisenstimmung, die dabei herrschte. Es ist mir nie gelungen, ihn von dieser Arbeitsweise abzubringen.
Bei Vegas jedoch lief es völlig anders. Das hat er ganz allein durchgezogen. Er brauchte mehrere Monate, um es zu schreiben. Er schickte mir immer einen Stapel Seiten, und ich änderte hier und da ein Wort und machte diesen oder jenen Änderungsvorschlag, doch es war schon komplett ausformuliert. Ich bat ihn, an manchen Stellen ein paar Übergänge zu schreiben, um den Erzählfluss übersichtlicher zu gestalten, aber er lehnte höflich, aber bestimmt ab. Es war ein reines Fantasieprodukt, das direkt seinem Hirn entsprungen war. Von einer Reportage im eigentlichen Sinn konnte nicht die Rede sein, außer zu dem Zeitpunkt, als er zurückkehren wollte, um an der Konferenz teilzunehmen – was absolut haarsträubend war und Gonzo-Potenzial in Reinform bedeutete.«
Brief von HST an JSW
15. Juni ’71
Owl Farm
Woody Creek, Colorado
Lieber Jann …
Ich schicke dir heute in einem separaten Umschlag, einen klassischen Schnappschuss, der in die Vegas-Geschichte eingebaut werden muss. Wie ich am Rand angemerkt habe, sollte Acostas Name nicht erwähnt werden ohne seine ausdrückliche Zustimmung. Gegen die Verwendung des Fotos hat er nichts, aber er ist nach wie vor alles andere als begeistert von der Vorstellung, dass sein Name bis in alle Ewigkeit in die Bildunterschrift eingemeißelt sein wird. Ich habe dafür Verständnis und bin mit ihm übereingekommen, dass er lediglich als »mein Anwalt« bezeichnet wird.
Was meine eigene Person betrifft, bin ich in Bezug auf die Namensnennung leidenschaftslos. Das Pseudonym Raoul Duke könnte allerdings Probleme bereiten, falls Random House sich entschließen, Vegas II in das American-Dream-Buch mit aufzunehmen – von HST. Dies ist eine Option, die [Random House Cheflektor James] Silberman sich – für herzlich wenig Geld, wie ich finde – gesichert hat, als er die Spesenrechnung für beide Vegas-Storys übernommen hat (minus 500 Dollar Barauslagen meinerseits, die bis heute nicht erstattet sind). Was er bezahlt hat, war die Kreditkartenrechnung von Carte Blanche, und auch das nicht rechtzeitig genug, um den Computer daran zu hindern, meine Karte zu sperren. Die Schweine haben mich letzte Woche rausgeschmissen – ohne jede Vorwarnung; einfach den Geldhahn zugedreht. Dazu gab’s einen fiesen Drohbrief von der Harbour Detective Agency, in dem stand, ich soll meine Karte zerschneiden und zurückschicken. Was ich natürlich nicht gemacht habe, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass meine Nummer nun auf der »Sofort festnehmen«-Liste der CB-Vertragspartner vermerkt ist.
Die Tatsache, dass ich dir das zum Vorwurf mache, ist auf lange Sicht vermutlich ungerecht – aber was »auf lange Sicht« passiert, steht hier nicht zur Debatte. Ich wollte einfach nur meine Kreditkartenrechnung begleichen und über »finanzielle Verantwortlichkeiten« später diskutieren.
Was im Moment keine Rolle spielt. Es ist nun mal passiert. Meine Kreditwürdigkeit ist dahin, ich stehe finanziell nackt da. Und diese hässliche Tatsache wird unschöne Auswirkungen auf meine Arbeitsweise haben. Und das für lange Zeit. Selah …
Was Vegas angeht, komme ich nur sehr langsam voran. Silberman ist der Auffassung, dass es mit in das AmDream-Buch soll, aber ich bin da anderer Meinung. Der Vegas-Stoff ist meiner Ansicht nach zu schräg, um als Basis für ein ernsthaftes Buch zu dienen. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass ich versuche, Silberman so
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