Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
schlugen sie gegen die Tür und riefen die Warnung: »Kommt mit den Händen über dem Kopf heraus, oder wir schießen!« Niemand kam heraus, also drangen die Cops ein und schossen gezielt.
Aber wie hätten sie wissen sollen, dass sie die falsche Wohnung angriffen? Und wie hätten sie wissen sollen, dass keiner der beiden Sanchez-Brüder auch nur ein Wort Englisch verstand? Sogar Bürgermeister Sam Yorty und Polizeichef Ed Davis bedauerten ausdrücklich die Todesfälle. Als jedoch der Bundesanwalt Anklage gegen die Polizisten erhob, äußerten sowohl Yorty wie Davis öffentlich ihre Entrüstung. Beide beriefen Pressekonferenzen ein und wandten sich auch im Fernsehen gegen die Anklageerhebung – in einer Sprache, die auf eigentümliche Weise derjenigen glich, in der die American Legion sich entrüstete, als Leutnant Calley angeklagt wurde, in My Lai Frauen und Kinder ermordet zu haben.
Die Yorty/Davis-Tiraden waren so plump und unanständig, dass ein Distriktrichter schließlich eine »Knebelorder« ausgab, um sie zum Schweigen zu bringen, bis der Fall vor Gericht kam. Aber sie hatten schon genug gesagt, um das gesamte Barrio in eine Höllenwut zu bringen bei der Vorstellung, dass Chicano-Steuerdollars dafür verwendet werden könnten, irgendwelche »schießwütigen Cops« zu verteidigen, die freimütig gestanden, zwei Mexikaner umgebracht zu haben. Es klang wie ein Echo der Salazar-Scheiße: derselbe Stil, dieselben Entschuldigungen, dasselbe Ergebnis – diesmal nur mit anderen Namen und Blut auf einem anderen Fußboden. »Die stecken mich ins Gefängnis, wenn ich keine Steuern bezahle«, sagte ein junger Chicano, der beim Fußballspielen auf einem lokalen Spielplatz zuschaute. »Aber meine Steuern nehmen sie und benutzen sie dazu, einen mordlustigen Bullen zu verteidigen. Zum Teufel, was wäre, wenn sie zufällig an meine Adresse geraten? Ich wäre mausetot.«
Es gab viel Gerede im Barrio darüber, »zur Abwechslung mal ein bisschen Bullenblut fließen zu sehen«, wenn die Supervisors tatsächlich entscheiden sollten, die angeklagten Cops aus öffentlichen Steuergeldern zu verteidigen. Ein paar Leute riefen im Rathaus an und murmelten anonyme Drohungen im Namen der »Chicano Liberation Front«. Aber die Supervisors ließen sich nicht einschüchtern. Sie entschieden sich am Donnerstagmorgen, und mittags war die Nachricht überall verbreitet: Die Stadt übernahm die Kosten.
Am Donnerstagnachmittag um 17.15 erschütterte eine Dynamitexplosion die Los Angeles City Hall. In den Toiletten im Erdgeschoss war eine Bombe versteckt worden. Niemand wurde verletzt, und der Sachschaden wurde von offizieller Stelle als »geringfügig« bezeichnet. Ungefähr 5000 Dollar, hieß es – kleine Fische, verglichen mit dem Schaden, den die Bombe angerichtet hatte, die im vergangenen Herbst nach dem Tod von Salazar eine Wand des Staatsanwaltbüros weggeblasen hatte.
Als ich im Büro des Sheriffs anrief, um mich nach der Explosion zu erkundigen, sagte man mir, darüber könne man keine Auskunft geben. Das Rathaus gehöre nicht zu ihrem Bereich. Aber sie waren schon viel bereitwilliger zu sprechen, als ich fragte, ob es wahr sei, dass die Chicano Liberation Front für die Bombe verantwortlich zeichne.
»Wo haben Sie das gehört?«
»Im Nachrichtendienst der Stadt.«
»Yeah, das ist wahr«, sagte er. »Eine Frau hat angerufen und gesagt, es sei zur Erinnerung an die Sanchez-Brüder und es sei die Chicano Liberation Front. Von den Typen haben wir schon gehört. Was wissen Sie denn von denen?«
»Nichts«, sagte ich. »Deswegen habe ich den Sheriff ja angerufen. Ich dachte, über Ihr Agentennetz hätten Sie etwas erfahren.«
»Klar haben wir das«, sagte er schnell. »Aber alle Informationen sind vertraulich.«
Nummer eins einer Reihe
Bis zum Sommer 1971 hatte sich die Zusammenarbeit zwischen Hunter und dem Magazin dramatisch intensiviert; seine Besuche in der Redaktion waren sporadisch, aber immer bemerkenswert, und er betrachtete sich zunehmend als integraler Bestandteil der Aktivitäten des Rolling Stone ; in dieser Phase initiierte er die Rubrik »Memos from the Sports Desk/Memos aus der Sportredaktion«, die zu einer Dauerinstitution wurde und in unregelmäßigen Abständen kurze Polemiken und Manifeste präsentierte, die sich mit tagesaktuellen Themen von Bürointrigen bis zu internationalen Verschwörungen befassten. Das erste Memo – über die wachsende Bedrohung durch das massive Aufkommen einer Bewegung Wiedergeborener
Weitere Kostenlose Bücher