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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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anrichtet.
    Dergleichen erwartet man nicht in der Lobby eines Ramada Inn, und erst recht nicht in West Palm Beach – also wusste ich sofort, dass uns nichts anderes übrig blieb, als diesen Mann mitzunehmen.
    »Soll mir recht sein«, sagte er. »Nachts um diese Zeit leg ich mich mit jedem an.«
    Er sei gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, erklärte er uns, als wir in der lauen Nachtluft fünf oder sechs Straßen weiter zu einem Hamburger-Laden wanderten, der The Copper Penny hieß und rund um die Uhr offen hatte. 15 Tage wegen Landstreicherei, und als er heute gegen vier Uhr entlassen worden war, hatte er ganz zufällig in einer Zeitung gelesen, dass Ed Muskie in der Stadt war … und da er einen Freund hatte, der »ganz oben« bei Big Ed »mitmischte« … na ja, da hatte er sich gedacht, man könnte doch mal im Ramada Inn vorbeischauen und kurz Hallo sagen.
    Aber er fand seinen Freund nicht. »Nur ’ne Truppe Tunten von CBS und der New York Times , die an der Bar rumhingen«, sagte er. »Ich hab die Jungs ’n bisschen aufgemischt, und sie haben die Biege gemacht. Aber was kann man schon erwarten von asozialen Arschkriechern, die dafür bezahlt werden, Politikern am Rockzipfel zu hängen.« Aber zum Teufel, auf die Schnelle möchte ich – trotz massiver Argumente, die dagegen sprechen – noch erklären, oder zumindest darauf bestehen, dass dieser Freak, dem wir in der Lobby des Ramada Inn begegneten und der am nächsten Tag auf der Fahrt von Palm Beach nach Miami in Muskies Wahlkampfzug die Leute zu Tode erschreckte, eigentlich eine rechtschaffene Person mit einem äußerst eigenwilligen Humor war, der sich leider aus diversen Gründen nicht mit der vorherrschenden Stimmung in Muskies »Sunshine Special« in Einklang bringen ließ.
    Wie es jedoch dazu kam, dass er meine Pressemarke trug, ist eine lange und verzwickte Geschichte. Soweit ich mich erinnere, hatte es damit zu tun, dass »Sheridan« mich davon überzeugte, dass er einer der authentischen, hochrangigen Boohoos der Neo-American Church war und dass er zudem alle möglichen obskuren und markigen Storys über seine Erlebnisse runterrasseln konnte, mochten sie sich an Orten wie Millbrook zugetragen haben, auf der Hog Farm, in La Honda oder Mike’s Pool Hall in San Francisco …
    … was jedoch auch wieder nicht so viel bedeutet hätte, wäre er nicht ein Aristokrat aus dem Freak-Königreich gewesen. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Dieser Höllenhund war ein reiner Irrer . Er schien auf bizarre Weise ständig unter Spannung zu stehen – und er besaß jene extrem ungebärdige & starke Präsenz, die man nur bei Menschen findet, die sämtliche Hoffnung, sich jemals noch »normal« zu verhalten, haben fahren lassen.
    Das alles muss man unbedingt wissen, um zu begreifen, was sich in Muskies Wahlkampfzug abspielte. Zudem macht es verständlich, warum jener Freund, der »ganz oben mitmischt« (und später in Women’s Wear Daily als Richie Evans identifiziert wurde, einer der wichtigsten Männer aus Muskies Vorhut in Florida), nicht sofort auf der Matte stand und sich um seinen alten Kumpel Pete Sheridan kümmerte – der wegen Landstreicherei kurz im Bau gewesen war und jetzt weder einen Schlafplatz hatte noch wusste, wie er nach Miami kommen sollte, ohne sich mit erhobenem Daumen an die Straße stellen zu müssen.
    »Vergiss den Scheiß«, sagte ich. »Fahr doch einfach mit uns im Zug mit. Im Präsidentenexpress – ohne Halt direkt nach Miami und sämtliche Getränke umsonst. Warum nicht? Jeder Freund von Richie ist doch auch ein Freund von Big Ed, würd ich sagen – aber weil du jetzt mitten in der Nacht Evans nicht auftreiben kannst, und der Zug in zwei Stunden abfährt, sollte ich dir vielleicht diese kleine orangefarbene Pressemarke leihen, bis du im Zug sitzt.«
    »Klingt vernünftig«, sagte er.
    »Ist es auch«, erwiderte ich. »Außerdem hab ich 30 Dollar für das Mistding rausgetan, aber bis jetzt hat es mir nicht mehr eingebracht als ein Dutzend Biere und den langweiligsten Tag meines Lebens.«
    Er griente und nahm die Marke. »Vielleicht kann ich die besser nutzen.« Konnte er. Er nutzte sie – und ich wurde anschließend von anderen Mitgliedern des Pressekorps strengstens getadelt, weil ich zugelassen hatte, dass meine »Akkreditierung« in fremde Hände fiel. Es gab außerdem hässliche Gerüchte, dass ich ein Komplott mit diesem Monster »Sheridan« – und auch Jerry Rubin – geschmiedet hätte, um Muskies

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