Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
diesen Leuten stört.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf eine Gruppe geschniegelter junger Muskie-Helfer am anderen Ende des Wagens. »Ich hab eine Menge demokratischer Kampagnen begleitet«, fuhr er fort, »aber ich bin mir zuvor nie deplatziert vorgekommen – und hab mich auch nicht persönlich unbehaglich gefühlt.«
»Ich weiß genau, was Sie meinen«, sagte ich.
»Sicher«, sagte er. »Ist ja auch klar – aber jetzt hab ich endlich rausgefunden, warum .« Er gluckste und sah wieder hinüber zu Muskies Helfern. »Wissen Sie, woran es liegt?«, fragte er. »Es liegt daran, dass sich diese Leute wie verdammte Republikaner aufführen! Das ist das Problem. Ich hab eine Weile gebraucht, aber endlich hab ich es begriffen.«
MONTAGMORGEN, AM VORTAG der Vorwahlen in Florida, flog i ch zusammen mit Frank Mankiewicz, der McGoverns Kampagne steuerte, nach Florida.
Wir setzten mit über zweihundert Meilen die Stunde und starkem Gegenwind auf der Landebahn von Key Biscayne auf – zuerst mit dem linken Rad und dann – etwa hundert Meter weiter – mit dem rechten … dann wurden wir nochmals durchgeschüttelt, bevor wir vor dem Hauptterminal des Miami International Airport zum Stehen kamen.
Nichts Ernstes. Allerdings ergoss sich meine Bloody Mary über die Washington Post vom Montag, die auf der Armlehne lag. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, sondern warf nur einen Blick auf Mankiewicz, der neben mir saß … und noch immer selig schnarchte.
Ich stieß ihn an. »Wir sind da«, sagte ich. »Wieder daheim in Fat City. Was liegt an?«
Sofort war er hellwach und sah auf seine Uhr. »Ich glaube, ich muss irgendwo eine Rede halten«, sagte er. »Und ich muss irgendwann Shirley MacLaine treffen. Wo gibt’s ein Telefon? Ich muss ein paar Anrufe erledigen.«
Kurz darauf schlurften wir durch den langen Korridor zum großen Gepäckkarussell. Mankiewicz hatte nichts abzuholen, weil er gewohnt war, mit leichtem Gepäck zu reisen, das aus einer kleinen Segeltuchtasche bestand, die einem zu groß geratenen Reisenecessaire glich.
Mein Kram – zwei wuchtige Ledertaschen und ein Xerox-Fernkopierer, der festgezurrt in einem Samsonitekoffer ruhte – musste jeden Moment auf dem Laufband auftauchen. Ich habe die Angewohnheit, schwer beladen zu reisen – ohne einleuchtenden Grund, sondern ganz einfach deswegen, weil ich die richtigen Reisetricks noch nicht raus habe.
»Ich hab einen Wagen bestellt«, sagte ich. »Ein schickes goldbraunes Cabrio. Soll ich Sie mitnehmen?«
»Vielleicht«, antwortete er. »Aber ich muss erst mal telefonieren. Gehen Sie ruhig vor, holen Sie den Wagen und das verdammte Gepäck. Wir treffen uns dann am Haupteingang.«
Ich nickte und hastete davon. Der Avis-Schalter war nur ungefähr 50 Meter von dem Wandtelefon entfernt, wo Mankiewicz mit einer Handvoll Dimes und einem kleinen Notizbuch Stellung bezogen hatte. Er erledigte mindestens sechs Anrufe und machte sich eine Seite Notizen, bis mein Gepäck antrudelte … und als mein Streit mit der Frau von der Autovermietung losging, verriet mir seine Miene, dass zumindest er alles unter Kontrolle hatte.
Die Souveränität, mit der er die Dinge regelte, beeindruckte mich. Hier vor mir agierte der Ein-Mann-Wirbelwind, der wichtigste Theoretiker und Stratege, die Intelligenzbestie hinter McGoverns Präsidentschaftswahlkampf – ein kleiner zerknautschter Mann, der eher aussah wie ein arbeitsloser Verkäufer von »Autos aus zweiter Hand«, der aber im Augenblick von einem öffent lichen Wandtelefon im Flughafen von Miami aus McGoverns Auf tritt bei den Vorwahlen in Florida organisierte.
Mankiewicz – ein 47-jähriger Anwalt aus Los Angeles und Direktor des Peace Corps, bevor er 1968 Bobby Kennedys Presse sprecher wurde – trug diverse Titel, seit letztes Jahr die McGovern- Kampagne startete. Eine Weile nannte er sich »Pressesprecher«, dann wurde er als »Kampagnenmanager« bezeichnet, aber jetzt scheint er sich mit dem Titel »Politischer Direktor« angefreundet zu haben. Doch all das ist kaum von Bedeutung, denn er ist inzwischen zu George McGoverns Alter Ego geworden. Für sämtliche konventionellen Jobs gibt es Leute, aber sie alle arbeiten im Vordergrund. Frank Mankiewicz ist für McGovern, was John Mitchell für Nixon ist – der Mann hinter dem Mann.
Zwei Wochen vorm Wahltag in New Hampshire erzählte Mankiewicz seinen Freunden, dass er für McGovern 38 Prozent der Stimmen erwartete. Das war lange vor Ed Muskies berüchtigtem
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