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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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der Aufwand auch lohnte, sowie bei Vorgesetzten wie Taylor Hayes, deren Urteil für Lords künftige Karriere entscheidend war, Anerkennung zu finden.
    Bei Leuten also, die er beeindrucken wollte.
    Wie bei seinem Vater.
    Noch immer sah er Grover Lord im offenen Sarg vor sich liegen; der Mund, der das Wort Gottes in die Welt hinausposaunt hatte, nun für immer geschlossen und Lippen und Gesicht aschgrau. Sie hatten ihm einen seiner besten Anzüge angezogen und seine Lieblingskrawatte umgebunden. Auch die goldenen Manschettenknöpfe hatten nicht fehlen dürfen, ebenso wenig seine Armbanduhr. Lord hatte damals gedacht, dass sein Vater allein mit dem Gegenwert dieser drei Schmuckstücke einen großen Teil seiner Ausbildung hätte bezahlen können. Fast tausend seiner treuen Anhänger waren zum Trauergottesdienst erschienen. Sie hatten geweint und gesungen, und einige waren gar in Ohnmacht gefallen. Seine Mutter hatte gewünscht, dass Lord eine Rede hielt. Doch was hätte er sagen sollen? Er konnte den Mann ja schlecht im Nachhinein als Scharlatan, Scheinheiligen und miserablen Vater hinstellen. Also hatte er geschwiegen, und seine Mutter hatte ihm das nie verziehen. Noch immer war ihr Verhältnis stark unterkühlt. Sie war Mrs. Grover Lord und stolz darauf.
    Er rieb sich wieder die Augen, weil er fast eingenickt wäre.
    Sein Blick schweifte durch den langen Waggon zu den Gesichtern anderer Reisender, die sich noch eine späte Erfrischung genehmigten. Ein Mann fiel ihm ins Auge. Jung, blond, stämmig. Er saß allein vor einem klaren Getränk, und seine Gegenwart jagte Lord einen kalten Schauer über den Rücken. Stellte er eine Bedrohung dar? Die Frage beantwortete sich von selbst, als eine junge Frau mit einem kleinen Kind auftauchte. Beide setzten sich zu dem Mann, und alle drei begannen ein angeregtes Gespräch.
    Du wirst allmählich neurotisch, schalt sich Lord.
    Dann aber sah er ganz hinten im Waggon einen Mann mittleren Alters vor seinem Bier sitzen. Das hagere Gesicht, die dünnen Lippen und die unruhigen wässrigen Augen hatte er am Nachmittag schon einmal gesehen.
    Der Mann aus dem Archiv! Er trug noch immer denselben ausgebeulten beigefarbenen Anzug.
    Auf einmal war Lord hellwach.
    Das konnte kein Zufall sein. Er musste zu Zenow, wollte aber nicht, dass man ihm seine Besorgnis ansah. Also trank er gemächlich seine Pepsi aus und schloss dann langsam seine Aktentasche. Ganz ungezwungen stand er auf und warf ein paar Rubel auf den Tisch, hoffte, nach außen hin ruhig zu wirken, doch auf dem Weg nach draußen sah er in der Glastür, wie das Spiegelbild des Mannes ebenfalls aufstand und in seine Richtung ging.
    Er riss die Schiebetür auf, trat schnell aus dem Speisewagen und schob die Tür wieder zu. Als er den nächsten Waggon betrat, sah er, dass der Mann ihm zielstrebig folgte.
    Mist.
    Lord lief weiter und betrat den Waggon, in dem sich sein Abteil befand. Mit einem raschen Blick zurück durch die Glastür vergewisserte er sich, dass sein Verfolger gerade den Waggon dahinter betrat.
    Er schob die Tür zu seinem Abteil auf.
    Zenow war nicht da. Vielleicht war sein Leibwächter ja gerade auf der Toilette? Er schloss die Tür wieder und lief durch den schmalen Gang, der am Ende des Waggons bei den Einstiegstüren abknickte. Die Tür zur Toilette war geschlossen, aber es war kein BESETZT-Zeichen zu sehen.
    Er öffnete die Tür.
    Leer.
    Wo zum Teufel war Zenow?
    Bevor er die Toilette betrat, riss er noch schnell die Tür zum Nachbarwaggon auf, um den Eindruck zu erwecken, jemand sei gerade ins nächste Abteil gegangen. Dann zog er die Toilettentür zu, verschloss sie aber nicht, so dass außen kein BESETZT erschien.
    Reglos lehnte er sich gegen die Edelstahltür. Er atmete heftig, sein Herz pochte. Als sich Schritte näherten, bereitete er sich innerlich schon darauf vor, notfalls seine Aktentasche als Schlagwaffe zu benutzen. Von der anderen Seite der Toilettentür hörte er, wie die Schiebetür des Schlafwagens sich mit einem dumpfen, kratzenden Geräusch öffnete.
    Eine Sekunde später wurde sie wieder geschlossen.
    Er wartete eine ganze Minute.
    Als er immer noch nichts hörte, öffnete er die Toilettentür einen Spalt weit. Im Vorraum war niemand. Er zog die Tür wieder zu und verschloss sie. Nun war er schon das zweite Mal in zwei Tagen erfolgreich um sein Leben gerannt. Er legte seine Aktentasche auf die Toilettenschüssel und spülte sich im Waschbecken den Schweiß aus dem Gesicht. Auf dem Abfluss stand eine

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