Die Romanow-Prophezeiung
in die Gesellschaft integrieren.«
»Das bleibt wohl ein frommer Wunsch. Sie saugt das Volk aus, und ihre Gier ist einer der Hauptgründe für unsere missliche Lage.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Heiligkeit. Aber uns bleibt keine Wahl. Wir müssen schon froh darüber sein, dass die verschiedenen Gruppen der Mafija – wenigstens im Augenblick – an einem Strang ziehen.«
Hayes beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. »Wir könnten Ihnen auch bei Ihrem kleinen Public-Relations-Problem unter die Arme greifen.«
Der Patriarch zog die Brauen hoch. »Mir war bislang nicht bewusst, dass meine Kirche ein solches Problem hat.«
»Lassen Sie mich offen reden, Heiligkeit. Wenn Sie kein Problem hätten, wären wir nicht hier unter Russlands heiligster Kathedrale zusammengekommen, um zu besprechen, wie wir eine neue Monarchie in unserem Sinne lenken können.«
»Fahren Sie fort, Mr. Hayes.«
Patriarch Adrian gefiel ihm immer besser. Er schien ein Pragmatiker zu sein. »Es geht doch kaum einer mehr in die Kirche. Die wenigsten Russen möchten, dass ihre Söhne Priester werden, und noch weniger spenden Geld für die Gemeinden. Ihre finanzielle Situation muss allmählich kritische Ausmaße annehmen. Außerdem steht Ihnen möglicherweise eine Art Bürgerkrieg bevor. Meinen Informationen zufolge ist eine beträchtliche Anzahl von Priestern und Bischöfen dafür, die Orthodoxie zur alleinigen Staatsreligion zu machen. Jelzin lehnte das ab und legte gegen den entsprechenden Gesetzesentwurf sein Veto ein, um anschließend eine verwässerte Version zu verabschieden. Er hatte keine andere Wahl: Die Vereinigten Staaten hätten im Fall religiöser Verfolgungen jede Unterstützung gestrichen, und Russland ist auf fremde Hilfe angewiesen. Ohne Unterstützung durch die Regierung könnte Ihre Kirche bald in größte Schwierigkeiten kommen.«
»Ich bestreite nicht, dass uns eine Spaltung zwischen Ultra-Traditionalisten und Modernisten droht.«
Hayes setzte nach. »Ausländische Missionare untergraben Ihre Basis. Aus ganz Amerika strömen Priester ins Land, die Russen zu ihrer jeweiligen Glaubensrichtung bekehren wollen. Und das führt, wie Sie wissen, unweigerlich zu Problemen. Es ist nicht leicht, seine Schäfchen zusammenzuhalten, wenn andere erst einmal Alternativen anbieten.«
»Unglücklicherweise können wir Russen mit Wahlmöglichkeiten nicht gut umgehen.«
»Apropos: Was war die erste demokratische Wahl der Menschheit?«, warf Lenin ein. »Gott schuf Adam und Eva und sagte dann zu Adam: ›Und jetzt wähle dir ein Weib.‹«
Der Patriarch lächelte.
»Was Sie brauchen, Heiligkeit«, fuhr Hayes fort, »ist staatlicher Schutz ohne staatliche Repression. Sie wollen die Orthodoxie, möchten aber nichts von Ihrer Macht abgeben. Und genau diesen Luxus bieten wir Ihnen.«
»Ich bitte um Einzelheiten.«
Lenin erklärte: »Sie als Patriarch bleiben de facto Oberhaupt der Kirche. Der neue Zar wird sich zwar offiziell auch zum Kirchenoberhaupt erklären, sich aber nicht in kirchliche Belange einmischen. Der Zar wird die Bevölkerung sogar offen auffordern, sich zur Orthodoxie zu bekennen. Die Romanows lagen schon immer auf dieser Linie, besonders Nikolaus II. Diese Kirchentreue passt auch voll und ganz in die russische Nationalphilosophie des neuen Zaren. Im Gegenzug sorgen Sie dafür, dass die Kirche eine pro-zaristische Position einnimmt und die Regierung in jeder Beziehung unterstützt. Ihre Priester sollen unsere Verbündeten sein. Auf diese Weise werden Kirche und Staat vereint, ohne dass die Massen je etwas davon zu erfahren brauchen. Ein viertes Rom, angepasst an eine neue Realität.«
Der alte Mann dachte schweigend über den Vorschlag nach.
»Also gut, meine Herren. Die Kirche steht Ihnen zur Verfügung.«
»Das ging aber schnell«, wunderte sich Hayes.
»Überhaupt nicht. Über diese Frage denke ich schon nach, seit Sie Kontakt zu mir aufgenommen haben. Ich wollte lediglich einmal von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen sprechen, um die Männer kennen zu lernen, mit denen ich zusammenarbeite. Und ich muss sagen, ich bin hocherfreut.«
Beide erwiderten das Kompliment.
»Aber ich muss Sie bitten, in dieser Angelegenheit ausschließlich mit mir zu verhandeln.«
Lenin verstand. »Hätten Sie gern einen Vertreter bei unseren Versammlungen? Dieses Zugeständnis würden wir Ihnen natürlich gern machen.«
Adrian nickte. »Ich werde einen Priester benennen. Er und ich werden die Einzigen sein, die von unserer
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