Die Romanow-Prophezeiung
hat«, meinte Akilina.
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Hinter diesen Leuten steckte mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen war.«
»Könnten Sie endlich zur Sache kommen, Professor?«, drängte Lord.
Paschkow saß in einer fast unnatürlichen Pose da, die keinerlei Emotion verriet. »Mr. Lord, ist Ihnen die Heilige Schar ein Begriff?«
»Ja. Das war eine Gruppe von Adligen, die geschworen hatten, für die Sicherheit des Zaren ihr Leben zu geben. Eine unfähige und feige Bande. Keiner von ihnen war zur Stelle, als Alexander II. im Jahr 1881 einem Bombenattentat zum Opfer fiel.«
»Eine spätere Gruppe nahm denselben Namen an«, fuhr Paschkow fort. »Aber diese war alles andere als unfähig, glauben Sie mir. Im Gegenteil: Sie hat Lenin, Stalin und den Zweiten Weltkrieg überlebt und existiert sogar heute noch. Die öffentliche Abteilung dieser Gruppe ist die Allrussische Monarchistische Versammlung. Aber es gibt auch einen im Untergrund arbeitenden Teil, der mir unterstellt ist.«
Lord starrte Paschkow gebannt an. »Und was will diese Heilige Schar erreichen?«
»Die Sicherheit des Zaren.«
»Aber es gibt doch schon seit 1918 keinen Zaren mehr.«
»O doch!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Paschkow legte nachdenklich die gefalteten Hände an die Lippen. »In Alexandras Brief und Lenins Notiz haben Sie gefunden, wonach wir lange vergeblich suchten. Ich muss gestehen, dass ich bis zu dem Tag, als ich diese Schreiben las, selbst Zweifel hegte. Aber jetzt bin ich mir sicher. Ein Thronerbe hat Jekaterinburg überlebt.«
Lord schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Professor.«
»Doch, das ist mein voller Ernst. Meine Gruppe wurde kurz nach dem Juli des Jahres 1918 gegründet. Sowohl mein Onkel als auch mein Großonkel waren Mitglieder der Heiligen Schar. Ich selbst wurde bereits vor Jahrzehnten rekrutiert und bin mittlerweile zum Leiter der Gruppe aufgestiegen. Unser Ziel ist es, das Geheimnis zu wahren und seine Bestimmungen erst dann zu erfüllen, wenn die Zeit gekommen ist. Das ist jetzt der Fall. Aber im Verlauf der kommunistischen Säuberungen sind viele unserer Mitglieder ums Leben gekommen. Um unsere Sache nicht zu gefährden, hatte der Gründer der Gruppe dafür gesorgt, dass niemand alle Einzelheiten kannte. Auf diese Weise ist ein Großteil der Botschaft verloren gegangen, darunter auch der Ausgangspunkt. Und Sie haben diesen Ausgangspunkt jetzt wiederentdeckt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Haben Sie die Kopien noch?«
Lord griff in sein Jackett und überreichte Paschkow die gefalteten Blätter. Dieser deutete auf eines davon. »Hier, in Lenins Notiz heißt es: Die Sache mit Jurowski bereitet mir Sorgen. Ich glaube nicht, dass die Berichte aus Jekaterinburg der Wahrheit entsprachen, und die Information in Bezug auf Felix Jussupow bestätigt diese Zweifel. Die Erwähnung von Kolja Maks finde ich interessant. Ich habe diesen Namen schon einmal gehört. Auch das Dorf Starodug ist von zwei auf ähnliche Weise zum Reden gebrachten Weißgardisten erwähnt worden. Hier haben wir die Informationen, die uns verloren gegangen waren – zum einen den Namen Kolja Maks und zum anderen das Dorf Starodug. Das ist der Ausgangspunkt unserer Suche.«
»Welcher Suche?«, fragte Lord.
»Der Suche nach Alexej und Anastasia.«
Lord ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. So müde er auch war – was dieser Mann da sagte, versetzte ihn in Erregung.
Paschkow fuhr fort: »Als die sterblichen Überreste der Romanows im Jahr 1991 ausgegraben und später identifiziert wurden, erfuhren wir, dass zwei Personen das Massaker überlebt haben könnten. Die Leichen von Anastasia und Alexej sind bis auf den heutigen Tag nicht gefunden worden.«
»Jurowski behauptete, er habe sie anderswo verbrannt«, wandte Lord ein.
»Was hätten Sie behauptet, wenn man Ihnen befohlen hätte, die gesamte kaiserliche Familie zu töten, und dann fehlen Ihnen auf einmal zwei Leichen? Sie würden lügen, weil man Sie sonst wegen Unfähigkeit erschießen würde. Jurowski hat Moskau nur das gemeldet, was man dort hören wollte. Aber seit dem Ende der Sowjetunion sind genügend Berichte aufgetaucht, die Jurowskis Erklärung äußerst zweifelhaft erscheinen lassen.«
Paschkow hatte Recht. Eidesstattliche Erklärungen von Rotgardisten und anderen Augenzeugen bestätigten, dass möglicherweise in jener Julinacht nicht alle Mitglieder der Zarenfamilie ums Leben gekommen waren. Diese Berichte stimmten nicht in allen Punkten
Weitere Kostenlose Bücher