Die Romanow-Prophezeiung
wies sie ihn an.
Dann wurde die Tür geschlossen.
In der vollständigen Dunkelheit hielt er den Atem an, während Schritte in beide Richtungen vorbeihasteten. Er konnte es einfach nicht glauben. Der Polizist vor dem Zirkus musste Felix Oleg benachrichtigt haben. Hängelid, Cro-Magnon und Oleg steckten alle unter einer Decke. Kein Zweifel. Was sollte er jetzt tun? Die wichtigste Aufgabe eines guten Anwalts bestand oft darin, einem Mandanten zu erklären, dass es klüger sei, sich nicht in eine Sache zu verbeißen. Das sollte er sich jetzt selbst zu Herzen nehmen. Er musste Russland einfach so schnell wie möglich verlassen.
Die Tür ging auf.
Im Licht des Korridors erblickte er zwei männliche Gesichter.
Das erste kannte er nicht, aber der Mann hielt Hängelid eine lange, silbrig schimmernde Klinge an die Kehle. Das andere war das Gesicht des Mannes, den er am Vortag in St. Petersburg gesehen hatte. Er hatte eine Pistole in der Hand, deren Mündung genau auf ihn, Lord, zeigte.
Dann sah er Akilina Petrowa.
Sie stand seelenruhig neben dem Mann mit der Pistole.
ZWEITER TEIL
21
»Wer sind Sie?«, fragte Lord.
»Für Erklärungen ist jetzt keine Zeit, Mr. Lord«, entgegnete der Mann neben Akilina. »Wir müssen schleunigst hier weg.«
Davon war Lord keineswegs überzeugt.
»Wir wissen nicht, wie viele von denen noch hier sind. Nicht wir sind Ihr Feind, Mr. Lord, sondern dieser Mann hier.« Der Mann zeigte auf Hängelid.
»Das ist nicht leicht zu glauben, wenn derjenige, der das sagt, mir eine Schusswaffe unter die Nase hält.«
Der Mann ließ die Pistole sinken. »Natürlich. Aber jetzt müssen wir gehen. Mein Partner wird sich um den Mann hier kümmern, während wir uns aus dem Staub machen.«
Lord starrte Akilina an und fragte: »Gehören Sie zu ihm?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wir müssen jetzt wirklich gehen, Mr. Lord«, drängte der Mann.
Er schaute sie fragend an: Sollen wir?
»Ich denke schon«, antwortete sie.
Er beschloss, sich auf ihren Instinkt zu verlassen, zumal der seine sich in jüngster Zeit nicht gerade bewährt hatte. »Also gut.«
Der Mann wandte sich seinem Gefährten zu und sagte etwas in einem Dialekt, den Lord nicht verstand. Hängelid wurde unsanft durch den Flur zu einer Tür am hinteren Ende des Korridors geführt.
»Hier entlang«, sagte der Mann.
»Warum muss sie mitkommen?«, fragte Lord und deutete auf Akilina. »Sie hat nichts damit zu tun.«
»Ich bin angewiesen, sie mitzunehmen.«
»Von wem?«
»Darüber können wir unterwegs reden. Jetzt müssen wir erst mal weg.«
Lord beschloss, nicht länger zu diskutieren.
Sobald Akilina sich ein Paar Schuhe und einen Mantel geholt hatte, folgten sie dem Mann hinaus in die kalte Nacht. Der Ausgang führte auf eine Gasse hinter dem Theater. Hängelid wurde auf den Rücksitz eines schwarzen Ford verfrachtet, der am Ende der Gasse wartete. Ihr Begleiter trat zu einem hellen Mercedes, öffnete die hintere Tür und bat sie einzusteigen. Dann setzte er sich auf den Beifahrersitz. Ein weiterer Mann saß bereits bei laufendem Motor hinter dem Lenkrad. Es begann zu nieseln, als sie das Theater hinter sich ließen.
»Wer sind Sie?«, fragte Lord erneut.
Der Mann antwortete nicht. Stattdessen überreichte er ihm eine Visitenkarte.
SEMJON PASCHKOW
Professor für Geschichte
Moskauer Staatsuniversität
Allmählich sah Lord klarer. »Also war meine Begegnung mit ihm kein Zufall?«
»Wohl kaum. Professor Paschkow hat erkannt, in welcher Gefahr Sie beide waren, und uns angewiesen, ein Auge auf Sie zu haben. Das habe ich schon in St. Petersburg getan, aber anscheinend habe ich da keine gute Arbeit geleistet.«
»Ich dachte, Sie gehören zu den anderen.«
Der Mann nickte. »Das kann ich gut verstehen, aber der Professor wollte, dass ich nur Kontakt zu Ihnen aufnehme, wenn es unvermeidlich ist. Und das dürfte auf die Situation eben im Theater wohl zutreffen.«
Das Auto kämpfte sich durch den dichten Feierabendverkehr, während die schwerfälligen Scheibenwischer nicht allzu viel bewirkten. Sie fuhren in südlicher Richtung am Kreml vorbei auf den Gorki-Park und den Fluss zu. Lord bemerkte, wie misstrauisch der Fahrer die anderen Wagen um sie herum musterte, und nahm an, dass die zahlreichen Umwege dazu dienen sollten, eventuelle Verfolger abzuschütteln.
»Glauben Sie, wir sind jetzt in Sicherheit?« flüsterte Akilina.
»Ich hoffe es.«
»Kennen Sie diesen Paschkow?«
Er nickte. »Aber das will nichts heißen. Es ist
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