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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Frühstücksbüfett zu bieten. Besonders gut schmeckten ihm die süßen Bliny , die der Küchenchef mit Puderzucker und frischem Obst servierte. Der Kellner brachte die neue Iswestija , und Hayes lehnte sich zurück und fing an, die aktuellen Nachrichten zu lesen.
    Ein Artikel auf der Titelseite fasste die Tätigkeit der Zaristenkommission in der vergangenen Woche zusammen. Nach der Eröffnungssitzung am Mittwoch hatte man am Donnerstag mit der Nominierung der Kandidaten begonnen. Stefan Baklanows Name war als erster gefallen. Die Geheimkanzlei hatte erreicht, dass der beliebte Moskauer Bürgermeister Baklanow vorstellte. Baklanows Einführung durch eine hoch angesehene Persönlichkeit sollte seiner Kandidatur zusätzlich Glaubwürdigkeit verleihen, und nach Aussage des Iswestija-Reporters war diese Strategie aufgegangen und Baklanow gewann zunehmend an Unterstützung.
    Zwei konkurrierende Gruppen der Romanow-Verwandtschaft stellten daraufhin Kandidaten auf, die ihrer Ansicht nach eine engere Blutsverwandtschaft zu Nikolaus II. aufzuweisen hatten. Darüber hinaus waren noch drei weitere Namen genannt worden, doch der Reporter räumte diesen Kandidaten keine ernsthaften Chancen ein, da sie nur sehr entfernt mit den Romanows verwandt waren. In einem Kasten rechts auf dem Titelblatt hieß es, dass es in Russland noch viele andere Menschen mit Romanow-Blut geben könne. Labore in St. Petersburg, Nowosibirsk und Moskau boten Interessenten für fünfzig Rubel an, in Bluttests ihre genetischen Merkmale mit denen der Zarenfamilie zu vergleichen. Offenbar hatten schon viele von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
    Die erste Debatte innerhalb der Kommission über die Kandidaten war sehr lebhaft verlaufen, doch Hayes wusste, dass dies nur Show war, da seinen Informationen zufolge bereits vierzehn von siebzehn Mitgliedern gekauft waren. Es war seine Idee gewesen, die Mitglieder der Kommission zunächst uneinig wirken zu lassen, weil es glaubwürdiger wirkte als eine zu schnelle Entscheidung.
    Am Schluss des Berichts stand, dass der Nominierungsprozess am nächsten Tag abgeschlossen werde. Eine erste Abstimmung zur Begrenzung der Kandidatenzahl auf drei war für Dienstag geplant, dann sollte zwei Tage diskutiert werden, bevor es am Donnerstag zur Schlussabstimmung kam.
    Am kommenden Freitag würde also alles vorüber sein.
    Stefan Baklanow würde Stefan I. Zar von ganz Russland, werden. Hayes’ Klienten würden ebenso zufrieden sein wie die Geheimkanzlei – und er selbst um mehrere Millionen Dollar reicher.
    Während er den Artikel zu Ende las, amüsierte er sich über die Neigung der Russen, potemkinsche Dörfer zu errichten. Ihm fiel ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diese Eigenart ein. Um ein besseres Stadtbild zu schaffen, waren aus Anlass des Besuchs von Gerald Ford in den Siebzigerjahren an der gesamten Strecke vom Flughafen ins Stadtzentrum Tannen in den Schnee gestellt worden, die man in einem nahen Wald geschlagen hatte.
    Der Kellner brachte die dampfenden Bliny und Kaffee. Hayes blätterte den Rest der Zeitung durch und überflog die eine oder andere Meldung. Eine stach ihm besonders ins Auge. Die Überschrift lautete: ANASTASIA LEBT, ZUSAMMEN MIT IHREM BRUDER, DEM ZAREN. Hayes war schockiert, bis er weiter las und feststellte, dass es sich bei dem Artikel lediglich um die Besprechung eines Theaterstücks handelte, das kürzlich in Moskau uraufgeführt worden war:
     
    Inspiriert von einem Buch über eine fragwürdige Verschwörungstheorie, das ihr in einem Antiquariat in die Hände gefallen war, befasste die englische Dramatikerin Lorna Gant sich mit Berichten über die angeblich unvollständige Hinrichtung der Zarenfamilie. »Ich war fasziniert von dieser Sache mit Anna Anderson«, erklärte Gant in Anspielung auf die berühmteste der Möchtegern-Anastasias.
    Das Stück beruht auf der Annahme, dass es Anastasia und ihrem Bruder Alexej 1918 in Jekaterinburg gelang, ihrer Hinrichtung zu entgehen. Ihre Leichen wurden bis heute nicht gefunden, und seit vielen Jahrzehnten wird darüber spekuliert, was damals wirklich geschehen ist. Dies alles ist ein fruchtbarer Boden für die Phantasie der Bühnenautorin.
    »Es hat so einen Touch von ›Elvis lebt und wohnt zusammen mit Marilyn Monroe in Alaska‹«, meint Gant. »Das Ganze wird mit Ironie und schwarzem Humor präsentiert.«
     
    Hayes wurde bald klar, dass das Stück offenbar eher eine Farce denn eine ernsthafte Auseinandersetzung mit möglichen

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