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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Wergschicht errichtet, und die Dachschindeln aus Baumrinde waren dunkel vom Moder. Aus dem gemauerten Kamin stieg eine dicke Rauchsäule in die kalte Luft. In der Ferne war ein Acker zu sehen; Pflüge und Eggen standen in einem offenen Schuppen mit Pultdach.
    Die ganze Szene erinnerte Akilina an die Kate, in der ihre Großmutter früher gewohnt hatte, zumal es auch hier auf der einen Seite ein Birkenwäldchen gab. Akilina hatte den Herbst immer schon für eine traurige Jahreszeit gehalten. Er kam ohne jede Vorwarnung und ging über Nacht in den Winter über. Und er bedeutete das Ende grüner Wälder und Wiesen – auch damit waren Erinnerungen an ihre Kindheit verbunden, an das Dorf unweit des Ural, in dem sie aufgewachsen war, und an die Schule, in der sie alle die gleichen Kleider mit Schürzen und roten Bändern getragen hatten. Zusammen mit dem übrigen Lehrstoff war ihnen eingetrichtert worden, welcher Unterdrückung die Arbeiter im Zarismus ausgesetzt gewesen waren, wie Lenin all das geändert hatte, warum der Kapitalismus von Übel war und was das Kollektiv von jedem einzelnen seiner Mitglieder erwartete. Lenins Porträt hatte in jedem Klassenzimmer, jeder Wohnung gehangen. Das Wissen um die Tatsache, dass sie alle dieselben Ideale teilten, war tröstlich gewesen.
    Offiziell gab es keine Individuen.
    Aber ihr Vater war ein Individuum gewesen.
    Alles, was er wünschte, war, mit seiner neuen Frau und seinem Kind in Rumänien zu leben. Das Kollektiv aber wollte diesen bescheidenen Wunsch nicht erfüllen. Von guten Eltern erwartete man, dass sie Parteimitglieder waren. Sie hatten keine andere Wahl. Und wer nicht die »revolutionären Ideale« hochhielt, sollte gemeldet werden. Es gab eine berühmte Geschichte, in der ein Sohn seinen Vater denunzierte, weil dieser Dokumente an aufständische Bauern verkauft hatte. Der Sohn sagte gegen den Vater aus und wurde dafür später von den Bauern ermordet. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Lieder und Gedichte über diesen Sohn, und den Kindern wurde seine Vaterlandstreue als höchstes Ideal vor Augen gehalten.
    Aber warum?
    Was war so bewundernswert daran, seine eigene Familie zu verraten?
    »Ich war in Russland nur zweimal auf dem Land«, unterbrach Lord ihre Gedanken. »Und beide Male unter Aufsicht. Aber das hier ist ganz anders, eine andere Welt.«
    »Zur Zeit der Zaren nannten sie das Dorf Mir , das bedeutet Frieden. Eine gute Beschreibung, weil die wenigsten Menschen je ihr Dorf verließen. Es war ihre Welt, ein Ort für Frieden.«
    Sie hatten die qualmenden Fabrikschornsteine von Starodug hinter sich gelassen, an ihrer Stelle waren jetzt grüne Bäume, Hügel und Heuwiesen zu sehen, die, wie Akilina sich vorstellte, im Sommer voll mit munter zwitschernden Sperlingen waren.
    Lord parkte das Auto vor dem Häuschen.
    Der Mann, der ihnen die Tür öffnete, war klein und stämmig. Er hatte rötlich braunes Haar und ein Gesicht, dessen rundliche Form und kräftige Farbe an Rote Bete erinnerte. Akilina schätzte ihn auf knapp siebzig, doch er bewegte sich mit verblüffender Leichtigkeit. Bevor er sie hereinbat, musterte er sie mit prüfenden Blicken, die Akilina an einen Grenzpolizisten denken ließen.
    Das relativ geräumige Haus bestand aus Schlafzimmer, Küche und einer gemütlichen Wohnecke. Das Mobiliar war bunt zusammengewürfelt und schien nur praktischen Zwecken zu dienen. Die Fußböden aus breiten, glatt geschliffenen Holzdielen waren lackiert, aber von der Lackschicht war kaum mehr etwas übrig. Es gab kein elektrisches Licht, die Räume waren durch rußende Öllampen und eine Feuerstelle erhellt.
    »Ich bin Wassili Maks. Kolja war mein Vater.«
    Sie nahmen am Küchentisch Platz. Auf einem Holzofen stand ein Topf Lapscha – die hausgemachte Nudelsuppe, die Akilina immer so gemocht hatte. Außerdem zog der kräftige Duft von gebratenem Fleisch – Lamm, wenn sie sich nicht irrte – durch die Küche, obwohl er überdeckt wurde vom muffigen Geruch eines billigen Tabaks. In einer Ecke des Zimmers standen Kerzen um eine Ikone herum. Auch Akilinas Großmutter hatte eine solche Andachtsecke gehabt – bis zu dem Tag, an dem sie verschwand.
    »Ich habe uns etwas zu essen gemacht«, erklärte Maks. »Ich hoffe, Sie haben ordentlich Hunger mitgebracht.«
    »Das kommt wie gerufen«, erwiderte Lord. »Und es riecht ausgezeichnet.«
    »Kochen ist eine der wenigen Freuden, die mir noch geblieben sind.« Maks stand auf und ging zum Herd. Mit dem Rücken zu ihnen rührte

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