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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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südwestwärts nach Kiew zu fahren und einen Flug in die Vereinigten Staaten zu nehmen, falls diese Reise sich als Sackgasse erwies. Taylor Hayes würde er dann von Atlanta aus anrufen, wenn er zu Hause und in Sicherheit war.
    »Los«, sagte er. »Bringen wir es hinter uns.«
    Rundum erhoben sich schwarze Baumsäulen, und die Zweige raschelten in dem eiskalten Wind, der ihm ins Gesicht blies. Er setzte die Taschenlampe sparsam ein, da sie beim Graben noch Licht brauchten.
    Auf einer Lichtung vor ihnen waren nun verschwommen Grabsteine zu erkennen. Wie im alten Europa üblich, waren es hohe Steine, und selbst in der Dunkelheit war unübersehbar, dass die Grabstätten nicht mehr gepflegt wurden. Eine dicke Reifschicht hatte alles weiß überzogen. Der schwarze Himmel ließ weiteren Regen vorausahnen. Kein Zaun umgrenzte den Friedhof, und kein Tor hieß den Besucher willkommen. Der Pfad, der von der Straße herbeiführte, verlor sich einfach hinter der ersten Reihe von Gedenksteinen. Lord konnte sich gut vorstellen, wie ein Leichenzug einem feierlichen, schwarz gekleideten Priester über den Pfad folgte, um einen schlichten Holzsarg geschart, auf den in der schwarzen Erde eine rechteckige Grube wartete.
    Ein kurzes Aufblitzen der Taschenlampe verriet, dass alle Gräber mit Gestrüpp überwuchert waren. Hier und dort lagen Steinhaufen, und die meisten Grabsteine waren von Kletterpflanzen und dornigen Ranken überwachsen. Er leuchtete mit der Lampe auf die Inschriften. Einige der Toten lagen schon seit zweihundert Jahren dort.
    »Maks sagte, es ist das Grab, das am weitesten vom Weg entfernt liegt«, erklärte er und führte Akilina tiefer in den Friedhof hinein.
    Da es seit dem Nachmittag nahezu ununterbrochen geregnet hatte, war der Friedhof sehr schlammig. Das sollte das Graben erleichtern, dachte Lord.
    Sie fanden das Grab.
    Er las die Inschrift unter Kolja Maks’ Namen:
    Wer aber bis ans Ende beharret, der wird selig.
    Akilina ließ das Gewehr von der Schulter gleiten. »Nun, das hier könnte der richtige Weg sein.«
    Er reichte ihr eine der beiden Schaufeln. »Das werden wir gleich herausfinden.«
    Die Erde ließ sich in weichen Klumpen abstechen, und bald füllte scharfer Torfgeruch die Luft. Wassili hatte erklärt, der Eichensarg läge nicht allzu tief. Die Russen begruben ihre Toten meistens auf diese Weise, und Lord hoffte, dass der alte Mann Recht hatte.
    Akilina arbeitete dicht beim Grabstein, während Lord von der anderen Seite her anfing. Er beschloss, senkrecht nach unten zu graben, um sich ein Bild davon zu machen, wie tief sie die Grube ausheben mussten. In einem Meter Tiefe stieß er auf etwas Hartes. Er räumte den feuchten Dreck beiseite und legte angefaulte, zersplitterte Holzbretter frei.
    »Dieser Sarg lässt sich vermutlich nicht mehr rausholen«, meinte Lord.
    »Was für die Leiche nichts Gutes erwarten lässt.«
    Sie gruben weiter und räumten die Erde Schicht um Schicht beiseite, bis sie zwanzig Minuten später eine rechteckige Grube vor sich hatten.
    Er leuchtete mit der Taschenlampe hinunter.
    Durch Löcher im Sarg war die Leiche zu sehen. Lord nahm wieder die Schaufel zur Hand, hebelte die morschen Sargbretter ab und legte Kolja Maks’ Leiche vollständig frei.
    Der Russe trug die Uniform eines Palastwächters. Im schwachen Schein der Lampe leuchteten hier und da Farbreste auf. Gedämpfte Rottöne, dunkles Blau und ein Erdschwarz, das früher einmal Weiß gewesen sein musste. Messingknöpfe und eine goldene Gürtelschnalle waren unversehrt geblieben, doch von der Hose und der Uniformjacke waren nur noch ein paar Fetzen, Lederriemen und ein Gürtel übrig.
    Auch an dem Verstorbenen selbst hatte die Zeit ihre Spuren hinterlassen. An Gesicht und Händen war kein Fleisch mehr. Nur die Augenhöhlen, das Nasenbein, die freiliegende Kieferpartie und die im Tod zusammengebissenen Zähne verliehen dem Schädel noch einen gewissen Ausdruck. Genau wie vom Sohn angekündigt, barg der Vater ein Metallkästchen auf den Überresten seiner Brust, aus der die Rippen in merkwürdigen Winkeln herausstachen, während die Armknochen das Kästchen noch immer umfasst hielten.
    Lord erwartete den Hauch der Verwesung, doch nur schaler Geruch von feuchter Erde und Flechten stieg zu ihm auf. Mit der Schaufel schob er die Arme auseinander. Der Rest eines Ärmels löste sich ab und zerfiel. Ein paar Regenwürmer flüchteten sich vom Deckel des Kästchens. Akilina holte es heraus und stellte es vorsichtig auf die Erde.

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