Die Romanow-Prophezeiung
nur die Aufgabe, die Botschaft an denjenigen weiterzugeben, der zu mir kam und die Losungsworte sprach.«
Lord war verwirrt. »Wo ist denn das Kästchen?«
»Am Tage seines Todes kleidete ich meinen Vater in seine kaiserliche Uniform und begrub das Kästchen mit ihm. Seit dreißig Jahren liegt es auf seiner Brust.«
Das gefiel Lord überhaupt nicht.
»Ja, Rabe. Mein Vater erwartet dich im Grab.«
28
Starodug, 16.30 Uhr
Hayes sah zu, wie Felix Oleg, vor dessen Mund sich in der kalten Luft Atemwölkchen bildeten, die Holztür aufbrach. Auf einem Schild, das über der Tür in den roten Backstein geschraubt war, stand: Café Sneschinki – INHABER: JOSIF MAKS.
Der Türpfosten zersplitterte, und die Tür flog krachend nach innen. Oleg trat ein und verschwand.
Die Straße war menschenleer und alle Geschäfte rundum geschlossen. Stalin folgte Hayes nach drinnen. Da sie für die Fahrt von Moskau nach Starodug fünf Stunden gebraucht hatten, war es seit einer Stunde dunkel. Die Geheimkanzlei hatte Stalins persönliche Anwesenheit für wichtig erachtet, da man der Mafija in einer solchen Angelegenheit die größte Kompetenz zutraute. Deswegen hatte ihr Vertreter nun die Aufgabe, alles zu tun, was die Situation erforderte. Zunächst hatten sie Josif Maks’ Haus am Stadtrand von Starodug aufgesucht. Die örtliche Polizei ließ das Haus seit dem Morgen diskret beschatten und war der Meinung gewesen, der Mann halte sich zu Hause auf, doch Maks’ Frau hatte ihnen mitgeteilt, er sei für ein paar Stunden in die Stadt gefahren, um dort zu arbeiten. Ein Licht hinten in Maks’ Lokal gab Anlass zu Hoffnung, und so war Stalin in Aktion getreten.
Hängelid und Cro-Magnon waren auf die Rückseite des Gebäudes geschickt worden. Hayes erinnerte sich an die Spitznamen, die Lord seinen Verfolgern gegeben hatte, und fand sie recht passend. Er hatte gehört, dass Hängelid mit Waffengewalt aus dem Moskauer Zirkus entführt worden und dass sein Entführer ums Leben gekommen war, ein bisher nicht identifizierter Mann, bei dem nichts auf eine Verbindung zu jener Heiligen Schar hinwies, die unter Semjon Paschkows Führung existieren sollte. Die ganze Angelegenheit wurde immer seltsamer, und der Ernst, mit dem die Russen die Angelegenheit behandelten, bereitete Hayes große Sorgen. Es kam nicht oft vor, dass Männer dieses Schlages in Erregung gerieten.
Oleg tauchte in einem Korridor auf, der vom Hintereingang ins Haus führte. Einen Mann mit buschigem, rotem Haar und Schnauzbart fest im Griff haltend, ging er um ein paar Kästen mit Gläsern herum. Hängelid und Cro-Magnon folgten ihm.
»Er wollte durch den Hinterausgang entwischen«, erklärte Oleg.
Stalin zeigte auf einen Stuhl aus Eichenholz. »Setzt ihn dorthin.«
Hayes bemerkte, dass Stalin Hängelid und Cro-Magnon ein unauffälliges Zeichen gab, das die beiden sofort zu verstehen schienen. Die zersplitterte Vordertür wurde geschlossen, und die Männer stellten sich mit gezogenen Schusswaffen an die Fenster. Eine Stunde zuvor hatte Oleg die einheimische Polizei aufgefordert, das Gebiet nicht zu betreten, und die Angehörigen der örtlichen Milizija hüteten sich normalerweise, den Befehl eines Moskauer Inspektors zu missachten. Etwas früher hatte Chruschtschow der einheimischen Verwaltung über Regierungskanäle mitteilen lassen, dass im Stadtgebiet eine Polizeioperation bevorstehe, die mit einem Attentat am Roten Platz zu tun habe, und dass Einmischung unerwünscht sei.
»Herr Maks«, erklärte Stalin. »Es geht hier um eine äußerst wichtige Angelegenheit. Ich möchte, dass Sie sich das klar machen.«
Hayes beobachtete Maks’ Reaktion auf diese Ankündigung. Im Gesicht des Mannes zeichnete sich nicht einmal eine Andeutung von Angst ab.
Stalin trat dicht an den Stuhl heran. »Gestern kamen ein Mann und eine Frau zu Ihnen. Erinnern Sie sich daran?«
»Ich habe viele Besucher.« In der Stimme lag Verachtung.
»Gewiss. Aber vermutlich wird Ihr Lokal nur selten von Tschornis besucht.«
Der untersetzte Russe streckte ruckartig das Kinn vor. »Verpisst euch.«
Seine Stimme klang selbstbewusst, doch Stalin reagierte nicht auf den scharfen Tonfall. Er machte einfach nur ein Zeichen, und Hängelid und Cro-Magnon kamen gleichzeitig heran und legten Maks mit dem Gesicht nach unten auf den Bretterboden.
»Amüsieren wir uns mit ihm«, sagte Stalin.
Hängelid verschwand im Hinterzimmer, während Cro-Magnon den Mann weiter festhielt. Oleg war als Wachposten zur Hintertür
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