Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Schilderung, wie ein Baby riechen sollte : An den Füßen riechen sie »wie ein glatter warmer Stein«, oder wie »Topfen« oder »frische Butter«, tastet die Amme sich langsam voran. Ihre Körper riechen »wie eine Galette, die man in Milch gelegt hat«, und hinten am Kopf, an dem kleinen Wirbel, da riechen sie am besten: »nach Karamell«.
Und so sind wir gleich auf den ersten Seiten indirekt – denn ein guter Autor kann sogar Gerüche, oder zumindest ihre Rezeption in unserem Hirn hervorrufen – beiden Extremen unseres bemerkenswerten olfaktorischen Repertoires ausgesetzt. Jean-Baptiste, obwohl selbst ohne einen eigenen Geruch, besitzt die beste Nase von ganz Paris und einen unberechenbaren, gefährlichen Appetit nach neuen Gerüchen, besonders dem junger Frauen. Dank seiner Nase verdient er gutes Geld als Parfümeur. Und wenn wir wie er die Fähigkeiten unserer Nasen voll ausschöpfen, sie mit vollmundigem Rotwein und frisch gemahlenem Kaffee, mit dezentem parfum , Jasmin und einigen Tropfen Zitronengras-Essenz auf dem Badeschwamm bei der morgendlichen Dusche fördern, wenn wir ihren sinnlichen Beitrag in unserem Leben wirklich zu schätzen lernen, dann, das garantieren wir Ihnen, werden Sie lernen, Ihre Nase zu lieben.
Auch wenn sie ein echter Zinken ist. 165
Hass auf den Job
Die Leiden einer jungen Kassiererin
Anna Sam
Im Bureau
Robert Walser
Sie meinen also, einen beschissenen Job zu haben. Weil Sie es mit »Mahlzeit!«-rufenden Vollidioten zu tun haben. Weil Ihr Chef/Ihre Chefin zuviel Stromberg guckt. Weil Sie ohnehin zu Höherem berufen sind. Jeden Tag wird Ihnen der Gang zur Arbeit zur Qual, die Stunden bis zur Mittagspause ziehen sich endlos hin, der Feierabend schimmert als matter Silberstreif am bleigrauen Arbeitshorizont. Genug gejammert! Lesen hilft. Auch in diesem Fall. (Und wenn's heimlich hinterm Monitor ist …)
Bitte fangen Sie mit Die Leiden einer jungen Kassiererin an. Und werden Sie rot. Schamesrot. Denn hier erfahren Sie, was wirklich ein beschissener Job ist. Beschissen ist ein Job, wenn man im Sekundentakt diese Fragen beantworten muss: »Wo sind die Toiletten?« »Haben Sie keine Plastiktüte?« »Sind Sie offen?« Beschissen ist ein Job, wenn man als warnendes Beispiel für faule Kinder herhalten muss: »Wenn du in der Schule nicht fleißig lernst, dann wirst du einmal Kassiererin wie diese Frau da.« Anna Sam hat selbst jahrelang an einer Supermarktkasse gearbeitet, sie weiß, wovon sie spricht. Nach dieser Lektüre sollten Sie Ihren Job eigentlich lieben. Aber wir wissen, dass man sich nicht einfach seines Lebens freuen kann, nur weil es anderen noch schlechter geht. Deswegen lassen wir Sie nicht mit ihrem Jobhass, Ihren schamesroten Wangen und Ihrem schlechten Gewissen allen Kassiererinnen gegenüber im Regen stehen, sondern empfehlen Ihnen zur Stabilisierung Robert Walsers Im Bureau . 166 Walsers Büromenschen führen Ihnen vor, wie man durch einen langweiligen Arbeitstag kommt (durch genießerisches Zeittotschlagen), wie man sich psychohygienisch gegen autoritäre, führungsschwache oder ignorante Vorgesetzte immunisiert (mittels raffiniertem Minimalboykott) und wie man sich unempfänglich für Druck macht (durch unsichtbaren Dämmerzustand). Derartig präpariert kann Ihnen eigentlich nichts mehr passieren, nur eins müssen Sie sich klarmachen: Auf diese Weise werden Sie nur »im Geist Karriere machen«, um mit Robert Walser zu sprechen. (Vielleicht haben Sie aber auch einfach den falschen Job. Falls das der Fall sein könnte, lesen Sie weiter unter ▶ Karriereweg; den falschen eingeschlagen haben .)
▶ Arbeitslosigkeit
167 Leseleiden: Hausarbeit; von ihr abgelenkt sein
Therapie: Sich eine Leseecke einrichten
Wenn man gerade nicht kochen muss, muss man staubsaugen. Wenn man staubgesaugt hat, muss man das Bad putzen. Wenn das Bad sauber ist, muss man den Kühlschrank aufräumen. Wenn der Kühlschrank aufgeräumt ist, ist es wahrscheinlich höchste Zeit, einkaufen zu gehen. Und wenn man zurück ist, sind da noch die Wäsche, die Betten, das dreckige Auto, der Garten, der gelbe Sack, der Müll und die Abermillionen sonstiger Dinge, die anfallen, wenn man in einem Haus oder einer Wohnung lebt. Wie soll man da noch von dieser kostbaren Stunde träumen, die man zurückgezogen mit einem Buch verbringt?
Schaffen Sie sich eine gemütliche Leseecke – einen Platz, den Sie nur zum Lesen aufsuchen. Es sollte eine kleine, abgeschirmte Ecke in Ihrer Wohnung oder Ihrem Garten
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