Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
einem gefühllosen Niemandsland ohne starke Gemütsregungen viel glücklicher?
Um ihre jeder Kultur und jedes tiefergehenden Gedankens beraubte emotionale Leere zu füllen, fangen sie an, immer schneller zu leben, sie rasen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Stadt (in Bradburys Zukunft sind Käfer die Superflitzer auf der Autobahn) – und töten alles, was ihnen in die Quere kommt. Ihre Kinder, die an neun von zehn Tagen zur Schule gehen, sehen sie so gut wie nie. Kinder zu haben ist nach ihrem Dafürhalten sowieso Zeitverschwendung. Die Frauen bleiben lieber zu Hause und sehen sich eine endlose interaktive Seifenoper namens Die Familie an – deren Schicksal ihnen zunehmend wichtiger ist als ihr eigenes. (So brillant, wie er sonst auch war, hat Bradbury den Sprung in eine Zeit, in der Frauen vielleicht sogar arbeiten gehen wollen, nie vollzogen.) Betäubt von diesen Familiensagas gehen sie mit »Muscheln« in den Ohren ins Bett, die die ganze Nacht hindurch unwichtige Nachrichten und noch bedeutungsärmere Serien senden. Schlaftabletten werden eingeworfen wie Süßigkeiten. Selbstmorde sind allgegenwärtig und werden nicht groß zur Kenntnis genommen.
Als Montag, ein Feuerwehrmann, dessen Job es ist, verbotene Bücher zu verbrennen – und manchmal auch die Leute, die sie lesen –, auf ein junges Mädchen trifft, das sich Zeit dafür nimmt, in die Sterne zu schauen, am Gras zu riechen und eine Löwenzahnblüte in Liebesdingen zu befragen, merkt er, dass er in seinem emotional kastrierten Zustand nicht so glücklich ist, wie er dachte. Langsam erwacht er und beginnt, sich einer Welt voller Schönheit und Gefühl zu öffnen, und fragt sich, was wohl in den Büchern steht, die er verbrennt. Eines Abends unterbricht er eine Folge von 155 Die Familie und liest Gästen seiner Frau das Gedicht »Dover Beach« von Matthew Arnold vor, woraufhin alle in haltloses Weinen und große Bekümmerung ausbrechen: »Gedichte und Tränen, Gedichte und Selbstmord und Weinkrämpfe und Elend, Gedichte und Krankheit – alles nur Gefühlsduselei!«, schluchzt eine völlig aufgelöste Zuhörerin. Montag muss seine eigenen Bücher verbrennen – und sein Haus gleich mit –, aber er glaubt weiter fest daran, dass eine Zukunft ohne die Weisheit der Bücher unerträglich ist. Er will das Leben spüren, auch wenn es Leid bedeutet, statt weiter das komatöse Dasein zu fristen, das die »Zivilisation« als Weg zum Glück erachtet.
Fahrenheit 451 lehrt Sie, dass das Leben aus einer großen Fülle an Erfahrungen besteht. Kosten Sie alles aus, aber nicht, indem Sie nach dem Glück streben, sondern indem Sie sich an Wissen, Poesie, Wahrheit und Gefühle jeglicher Art halten. Und für den Fall, dass Bradburys Vision Realität werden sollte: Lernen Sie wie Montag einen Roman auswendig. Man weiß nie, ob es nötig werden wird, ihn an den Rest der Menschheit weiterzuerzählen.
▶ Unzufriedenheit 156
Hämorrhoiden
Feuchtgebiete
Charlotte Roche
Sie spüren also ein Brennen im Analbereich, haben Schmerzen bei der Darmentleerung und hellrote Blutspuren auf dem Toilettenpapier? Und alleine diese Schilderung treibt Ihnen die Schamesröte ins Gesicht? Wir haben ein doppeltes Problem: die Hämorrhoide ist das eine, das andere die Scham, die sie auslöst ( ▶ Scham ). Um die Hämorrhoiden zu therapieren, suchen Sie am besten Ihren Gynäkologen oder Ihren Urologen auf. Für die Scham sind wir zuständig.
Versuchen wir zunächst eine Spontanheilung: Wiederholen Sie bitte 25 Mal den Satz: Jeder hat Hämorrhoiden, mit diesem medizinischen Fachausdruck sind Bindegewebspolster gemeint, die für die Abdichtung des Enddarms nach außen zuständig sind. Besser? Na gut, und wenn wir Ihnen verraten, dass diese Hämorrhoiden für die ›Feinkontinenz‹ zuständig sind, also Flüssigkeit und Gase im Darm halten (was ja per se eine gute Sache ist)? Sie sind immer noch rot im Gesicht! Nun gut. Die Spontanheilung hat nicht funktioniert, wir können Ihnen die Rosskur nicht ersparen: Charlotte Roches Feuchtgebiete .
Die Hauptfigur in diesem Megabestseller aus dem Jahr 2008 teilt Ihre Probleme. Zumindest eins: Sie hat Hämorrhoiden. Rot wird sie aber nicht deswegen. Im Gegenteil. Helen Memel berichtet äußerst unverkrampft nicht nur über ihre Hämorrhoiden (ihren »Blumenkohl«), sondern auch über Menstruation, Urin, Sperma, Smegma und Sex (mit anderen und alleine). Sie erzählt, wie sie ihre selbstgebastelten Tampons im blitzenden Aufzug der Klinik,
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