Die Rose der Highlands
am Fenster. Lord Fraser führte sie dorthin und verabschiedete
sich dann formvollendet.
»Geben Sie dem Ober bitte Bescheid, wann Sie aufbrechen wollen«,
sagte er und wünschte ihnen einen guten Appetit. Aus den Augenwinkeln
beobachtete Lili, dass Lord Fraser mit dem Kellner tuschelte und sich ganz in
ihrer Nähe an einen Tisch setzte. Es machte sie nervös, dass er in Sichtweite
zu ihnen saÃ, aber sie versuchte, es zu überspielen.
»Schön, dass wir endlich mal wieder zusammen ausgehen«, seufzte
Lili, und es tat ihr wirklich gut, sich endlich einmal wieder in die
Ãffentlichkeit zu wagen. Sie hatte absichtlich Strathpeffer gewählt, weil die
Gefahr, bekannte Gesichter zu treffen, an diesem Ort geringer war als in Inverness.
Und dennoch fühlte sie sich beobachtet. Sie lieà den Blick noch einmal
unauffällig zu Lord Fraser schweifen, aber der saà bei einem Glas Whisky und
war in irgendwelche Unterlagen vertieft.
Wenn sie sich umsah, war unschwer zu erkennen, dass dieser Saal
schon bessere Zeiten gesehen hatte, genau wie der Kurort selbst. Wenn sie das
heutige Ambiente mit der Pracht verglich, die im Jahre 1914 im Highland Hotel
geherrscht hatte ⦠derselbe Teppich und dieselben Möbel wie damals, aber ohne
sichtbare Gebrauchsspuren. Sie würde niemals vergessen, dass sie an diesem Ort
vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht worden war.
»Träumst du, Lili?« Isobel riss sie aus ihren Gedanken.
»Nein, mein Kleines, ich dachte nur daran, wie dein Vater mich einst
zur Kur nach Strathpeffer geschickt hat.«
»Weshalb? Warst du krank?«
»Nein ⦠ich ⦠er glaubte, ich könne nicht schwanger werden.« Lili
war es äuÃerst unangenehm, das zu erwähnen, aber ihr war so schnell nichts
anderes eingefallen als die Wahrheit.
»Nun weiÃt du ja, dass er sich geirrt hat. Rose ist der lebende
Beweis.« Isobels Bemerkung klang spitz und erinnerte Lili daran, wie angespannt
das Verhältnis der beiden Schwestern in letzter Zeit war. Das ging zweifelsfrei
von Isobel aus. Sie war eifersüchtig auf Lilis leibliche Tochter und witterte
stets Benachteiligung. Wenn es danach ging, konnte Lili geradezu froh sein,
dass Rose lediglich in den Sommerferien und zu Weihnachten nach Hause kam. In
dieser Zeit des Jahres, wenn beide im Haus waren, flogen die Sticheleien wie
kleine Giftpfeile kreuz und quer durch Scatwell Castle.
Die unbeschwerte Rose hatte allerdings ein so dickes Fell, dass
vieles an ihr abprallte. Und wenn nicht, dann konterte sie so heftig, dass es
Isobel nur noch mehr in Rage brachte. Und im Nu war dann ein handfester Streit
entbrannt, aus dem Lili sich nur heraushalten konnte. Denn wenn sie sich
einmischte, was ihr leider immer wieder passierte, dann nahm ihr das eine der
beiden mit Sicherheit übel. Lili fühlte sich manchmal wie eine Löwenbändigerin,
die von ihren Schützlingen zum Dank gefressen wurde.
»Isobel, bitte, heute nicht! Du weiÃt doch, dass ich euch beide
gleich lieb habe«, bemerkte Lili energisch.
»Ja, aber mir graust schon jetzt vor Weihnachten und Hogmanay. Dann
bringt sie wieder alles durcheinander nach dem Motto: Was kostet die Welt? Dann
dreht sich alles um sie, deine kleine Prinzessin, die sich alles erlauben darf,
weil sie ja so ein fröhliches Gemüt hat â¦Â«
»Isobel, bitte, verschon mich mit diesen Eifersüchteleien«,
unterbrach Lili diese Schimpftirade schroff. » Sie ist nun mal ein kleiner
Wirbelwind«, fügte sie mit Nachdruck hinzu.
»Von âºkleinâ¹ kann ja wohl keine Rede mehr sein«, entgegnete Isobel
ungnädig.
Lili musste wider Willen lächeln. In diesem Punkt hatte Isobel
recht. Rose überragte ihre Stiefschwester inzwischen um einen Kopf. Was die
GröÃe anging, kam sie ganz nach Dusten.
Der Ober unterbrach das kleine Streitgespräch mit der Frage nach
ihren Wünschen. Lili lieà ihn die Karte bringen und bestellte als Aperitif zwei
Whisky.
Beim AnstoÃen beugte sich Isobel sehr weit über den Tisch. »Wo sitzt
er?«, flüsterte sie, als sie mit dem Mund fast an Lilis Ohr gestoÃen war.
»Zwei Tische hinter dir. Und er ist immer noch allein. Sein Geschäftspartner
ist noch nicht gekommen. Und, Achtung, er prostet mir gerade zu.«
Isobel lief knallrot an. »So genau habe ich es ja auch nicht wissen
wollen«, zischte sie.
Lili aber erhob ihr Glas und nickte Lord Fraser
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