Die Rose der Highlands
Fiona und Bonnie schienen in der Küche zu sein.
»Sie passen trotzdem auf sich auf, nicht wahr?«, mahnte John zum
Abschied.
Lili versprach es ihm und wandte sich Patsy zu, die schwanzwedelnd
auf sie zustürmte.
»Du bekommst jetzt eine Belohnung«, sagte sie und eilte, gefolgt von
ihren beiden Hündinnen, zur Küche.
Bonnie und Fiona waren in ein angeregtes Gespräch vertieft, während
sie Kartoffeln schälten. Kaum hatten sie Lili wahrgenommen, verstummten sie.
»Lasst euch nicht stören«, bemerkte Lili leichthin, während sie
einen Schinken aus der Vorratskammer nahm und mit einem riesigen Küchenmesser
ein ordentliches Stück absäbelte. Und dann noch eines.
Sie schmunzelte, als die Blicke der beiden gebannt jedem ihrer
Handgriffe folgten. Lili brachte schlieÃlich den Schinken zurück in den
Vorratsraum und wandte sich an Fiona.
»Es tut mit leid, dass ich mich vorhin etwas im Ton vergriffen habe.
Du musst verstehen, ich hasse diese Märchen von dem Fluch. Sie verbreiten nur
Angst und Schrecken und entbehren jeglicher Grundlage.«
Fiona verzog säuerlich das Gesicht. »Schon vergessen!«, stieà sie
unwillig hervor.
Um ihre Köchin aufzuheitern, deutete Lili auf die mächtigen
Schinkenscheiben in ihrer Hand und scherzte: »Natürlich glaube ich auch, dass
wir nicht alles erklären können, was zwischen Himmel und Erde geschieht. Nehmen
wir Patsy. Wer hat ihr gesagt, dass sie zurücklaufen und Hilfe holen soll? Mein
Schutzengel?«
»Sie müssen mich nicht auf den Arm nehmen!«, zischte die Köchin.
»Ach, Fiona, nun mach doch nicht so ein düsteres Gesicht. Ich meine
das ernst. Ich glaube fest daran, dass sich nicht alles erklären lässt zwischen
Himmel und Erde. Man sagt ja Hunden nach, dass sie spüren, wenn es ihren Frauchen
oder Herrchen schlecht ergeht ⦠Aber es gibt keinen Fluch. Und ob ihr es glaubt
oder nicht, Scatwell Castle wird bald wieder ein lebendiges kleines Schloss
werden â¦Â«
Lili hatte den Satz noch gar nicht zu Ende gesprochen, als sich ein
mulmiges Gefühl in ihrem Bauch bemerkbar machte. Bei dem Gedanken, dass die
Fassade von Lord Frasers Haus Scatwell Castle wie ein Ei dem anderen glich,
wurde ihr erneut speiübel. Doch sie wollte sich partout nicht von ihren
aufkeimenden Ãngsten leiten lassen! Aber war ihr persönliches Unglück nicht
erst über sie gekommen, seit sie wieder in diesem Haus lebte?
»Misses Munroy, ist alles gut?«
»Ja, alles in bester Ordnung«, versichterte sie, während ihr
eiskalte Schauer über den Rücken liefen. Auch wenn sie die Sache mit dem Fluch
immer noch weit von sich wies, vor einem konnte sie nicht die Augen
verschlieÃen: Auf Scatwell Castle lag kein Segen.
37
T ief in Gedanken
versunken eilte Lili die Treppen hinauf, nach dem sie die Hunde mit dem
Schinken gefüttert hatte. Sie war überzeugt davon, dass Jacky sich genauso
heldenhaft verhalten hätte. Die Hündinnen hatten sich jedenfalls auf die
Belohnung gestürzt, als wären sie völlig ausgehungert.
Ein Klingeln an der Haustür lieà sie aufhorchen.
Als Bonnie in die Diele eilte, um zu öffnen, rief Lili ihr zu: »Ich
geh schon, vielleicht haben sie Baird gefunden.«
Es konnte nur einer der Nachbarn sein, denn das Tal von Strathconon
war â wie John Abercombie ihr vorhin versichert hatte â immer noch von der
AuÃenwelt abgeschlossen.
Umso erstaunter war Lili, als Liam vor ihrer Tür stand.
Statt ihn zu begrüÃen, fragte sie fassungslos: »Wo kommen Sie denn
her? Ich denke, die StraÃe ins Tal ist überflutet?«
»Ich habe gewartet, bis sie die Sperre aufgehoben haben und bin dann
sofort losgefahren. Das war zwar alles andere als ein Vergnügen, aber ich habe
mir Sorgen um Sie gemacht. Es heiÃt, das ganze Tal sei überschwemmt worden und
es habe Tote gegeben.«
»Kommen Sie erst einmal ins Haus.« Lili trat zur Seite und lieà ihn
eintreten. Er zog seinen Regenmantel aus und reichte ihn ihr. Sie bat ihn in
den Salon und rief nach Bonnie, die sofort angerannt kam und den Besucher mit
unverhohlener Neugier musterte. »Bringst du einen Tee für Mister Brodie und ein
paar Scones?«
Kaum hatte sie das ausgesprochen, als sich ihr knurrender Magen
bemerkbar machte. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie noch gar nichts gegessen
hatte, und sie fragte Mister Brodie, ob er mit ihr
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