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Die Rose der Highlands

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Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein Kind von zwölf Jahren, das überhaupt nicht
wusste, wie ihm geschah. Das nicht verstand, warum es nicht über die Brücke
gehen und seine Großmutter besuchen durfte. Die hartherzige Frau hatte Isobel,
nachdem der Rechtsstreit für die Munroys aus Scatwell Castle endgültig verloren
gewesen war, ein letztes Mal vor die Wahl gestellt: Entweder sie lebte in der
Obhut ihrer Großmutter als echte Munroy oder sie war als »Makenzie-Bastard« im
Haus ihrer Vorfahren nicht mehr erwünscht. Isobel hatte sich natürlich für Lili
und Dusten entschieden, die beiden Menschen, die ihr mit Liebe begegneten. Lady
Caitronia hatte ihrer Enkelin bis zuletzt den Zugang zu Scatwell Castle
verweigert. Angeblich hatte sie noch auf ihrem Sterbebett alle Makenzies
verflucht. Doch nun waren stattdessen nicht nur alle Makenzies, bis auf sie,
Lili, sondern auch alle Munroys tot. Eine seltsame Fügung …
    Lili, Isobel, Rose und Dusten waren damals gleich nach Craigs Tod in
Scatwell Castle eingezogen. In jenes prachtvolle Anwesen, das sich Castle
nannte, aber eigentlich eine Mischung aus einem viktorianischen Herrenhaus und
einem Farmhaus war, in das Dusten und sie seit mehr als fünfzehn Jahren keinen
Fuß mehr gesetzt hatten. Denn auch Dusten war zu einem Ausgestoßenen geworden,
nachdem er »diese verdammte Makenzie« geheiratet hatte. Auch Großmutter Mhairie
hatte bis zu ihrem Tod vor zehn Jahren keinen Fuß mehr nach Scatwell Castle
gesetzt. Weder Lilis Schwiegermutter Lady Caitronia noch ihr Schwager Craig
waren damals zu ihrer Beerdigung gekommen. Dafür hatte es sonst kaum einen
Bewohner des Tals von Strathconon gegeben, der nicht zur Trauerfeier gekommen
war, um Lady Mhairie die letzte Ehre zu erweisen.
    Und nun wohnen nur noch Isobel und ich in diesem düsteren Gemäuer,
dachte Lili betrübt. Gleichzeitig straffte sie die Schultern. Schluss mit den
belastenden Gedanken! Es ist ein ganzes Jahr her, dass ich ihn verloren habe.
Heute fängt ein neues Leben an, und ich werde auch das meistern, sprach sie
sich entschieden Mut zu. Und dazu gehörte, dass sie ihrem vernachlässigten
Äußeren endlich wieder Aufmerksamkeit schenkte.
    Lili steuerte auf ihren weißen Schminktisch zu. Sie liebte die
Einrichtung ihres Schlafzimmers. Es war Großmutter Mhairies Reich gewesen, und
die hatte sich bereits zur Jahrhundertwende entschieden, die dunklen Möbel
gegen weiße auszutauschen. In diesen Raum musste Lili jedenfalls kein Geld investieren.
Er gefiel ihr genau so, wie er war.
    Sie warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und in der Tat: Das
Blau veränderte ihr Aussehen kolossal! Schwarz war einfach nicht ihre Farbe.
Blau hatte ihr immer schon gestanden. Nun musste sie nur noch ihr
widerspenstiges Haar aufstecken und endlich einmal wieder zu dem Lippenstift
greifen, den sie seit einem Jahr nicht mehr angerührt hatte. Nicht mehr, seit
sie in ihrem Festkleid auf Dusten gewartet hatte, bis ein Bursche aus Contin
sie zur Unglücksstelle geholt hatte. Es war ein Anblick, den sie am liebsten
vergessen würde. Das Schlimmste war der gequälte Gesichtsausdruck ihres
Liebsten gewesen. Er hatte nichts von dem Dusten gehabt, mit dem sie glücklich
gewesen war. In seinen Augen hatte die nackte Panik gestanden. So, als hätte er
etwas Furchtbares gesehen.
    Ich darf nicht mehr daran denken, ermahnte sich Lili und versuchte,
ihre Lippen anzumalen. Doch es half nichts. Immer wieder drängte sich die
grauenhafte Erinnerung in den Vordergrund. Ihre Hände zitterten, sodass der
Rand ihres Mundes bald hässlich übermalt war. Sie schüttelte sich und wischte
sich energisch die Farbe aus dem Gesicht, bevor sie es noch einmal versuchte.
Dieses Mal mit ruhiger Hand und mit Erfolg. Sie gefiel sich mit roten Lippen,
denn es war ein Zeichen, dass sie wieder ins Leben zurückgekehrt war.
    Lili straffte die Schultern und nahm sich fest vor, in den folgenden
Tagen Sibeal in Inverness einen kleinen Besuch abzustatten. Seit einem Jahr
verkroch sich Lili im Tal von Strathconon und erfand immer neue Ausreden, um
ihre Freundin nicht zum Tee zu besuchen oder mit ihr Golf zu spielen. Sibeal
war die Ehefrau eines Abgeordneten des Britischen Oberhauses und immerzu unterwegs.
Sie hatten einander bei einer Ausstellungseröffnung in Inverness kennengelernt.
Beide hatten sich gleichsam intensiv mit den Gemälden beschäftigt und dabei das
üppige Buffet verpasst.

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