Die Rose der Highlands
hab dich so lieb!«, flüsterte sie.
»Ich dich auch«, erwiderte Lili gerührt über diese kindliche Geste
einer erwachsenen Frau.
Das Geräusch der Türglocke lieà die beiden auseinanderfahren.
»Erwartest du Gäste?«, fragte Isobel erstaunt.
»Nein, natürlich nicht. Wir fahren allein nach Strathpeffer und
speisen fürstlich im Highland Hotel.« Sofort wurden in Lili wieder alte
Erinnerungen wach. Doch ihr blieb keine Zeit, den drängenden Gedanken an ihren
früheren Aufenthalt in dem einstigen weltberühmten Kurort nachzugehen, weil
sich Bonnie, das Hausmädchen, lautstark räusperte.
»Misses Munroy, da ist ein Herr für Sie. Ein gewisser Lord Fraser.
Er wartet im Salon auf Sie.«
»Noch nie gehört, aber ich werde ihn schnell abwimmeln. Zieh du dich
ruhig um. Danach brechen wir sofort auf«, bemerkte Lili an Isobel gewandt und
verlieà eilig das Zimmer. Lord Fraser? Wer sollte das sein? Und was wollte er
von ihr? Sie hatte einmal einen Lord dieses Namens gekannt. Lord Alexander
Fraser, der Vater von Lady Ainsley, aber der war schon lange tot.
4
D er blondgelockte hochgewachsene Mann mit dem kantigen
Gesicht lieà den Blick neugierig durch den Salon schweifen. Es war alles sehr
teuer und geschmackvoll eingerichtet, das musste er neidlos zugeben. Gut, die
Möbel waren dunkel und aus einer frühen viktorianischen Epoche, aber sie
passten perfekt in dieses schlossähnliche Haus, das inmitten eines
hochherrschaftlichen angelegten Parks lag. Dabei war ihm nicht entgangen, dass
ein neuer Anstrich der Fassade überfällig war.
Sein kritischer Blick blieb an einem Gemälde über der Anrichte
hängen. Wenn er sich nicht täuschte, handelte es sich um ein Werk des
schottischen Malers John Duncan. Es erinnerte ihn ganz entfernt an dessen
berühmtes Bild »Hymn to the Rose«. Es zeigte ein blondgelocktes Kind mit einem
Rosenstrauà in der Hand. Ob das wirklich von Duncan ist, fragte sich der
Besucher. Er wusste, dass der bei Kriegsende klamme Maler kurzfristig Auftragsarbeiten
für reiche Schotten angenommen hatte.
Es ist kein Zufall, dass ich es in diesem Haus finde, dachte er
versonnen, als er hinter sich ein Hüsteln vernahm. Er fuhr herum und rang sich
zu einem Lächeln durch. Die Dame des Hauses strahlte eine unaufdringliche
Eleganz aus. Das verunsicherte ihn ein wenig. Er hatte erwartet, eine ältliche
Matrone vorzufinden. Sie aber war eher eine damenhafte Elfe, die feminin und
mädchenhaft zugleich auf ihn wirkte.
»Guten Tag«, sagte sie mit einer rauen, ausdrucksstarken Stimme und
streckte ihm zur BegrüÃung die Hand entgegen. Er trat auf sie zu, nahm ihre
Hand und gab ihr einen Handkuss. »Guten Tag, gnädige Frau. Ich nehme einmal an,
Sie sind Lady Munroy.«
Lili lächelte. »Misses Munroy. Mein Mann war kein Baronet. So können
wir auch nicht mit dem Titel prahlen, Lord Fraser. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe von Ihrem Anwalt, Mister Brodie, gehört, dass Sie ein
schönes Haus in Inverness zu verkaufen haben. Ich bin sehr interessiert. Und
der Preis geht für mich in Ordnung.«
»Das ist eine gute Nachricht. Nehmen Sie doch Platz.«
Lili hoffte, dass sie nicht allzu erleichtert geklungen hatte. Sie
blickte den Fremden wohlwollend an und erschrak. Diese Ãhnlichkeit, dachte sie
verstört. Das brachte sie derart aus der Fassung, dass sie einen Grund suchte,
den Salon auf der Stelle zu verlassen.
»Ich sage dem Mädchen Bescheid, dass Sie uns einen Tee machen soll.
Sie trinken doch Tee. Oder möchten Sie einen Whisky?«
»Tee!«, erwiderte Lord Fraser höflich.
Als Lili die Salontür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich
gegen eine Wand. Ihr Herz pochte bis zum Hals. Dass sie so reibungslos zu
Bargeld kommen würde, hatte sie niemals zu hoffen gewagt. AuÃerdem war sie ein
wenig schockiert, weil der Besucher sie fatal an den jungen Dusten erinnerte.
Er besaà dasselbe volle, gelockte blonde Haar und auch das kantige Gesicht und
die blauen Augen â¦
Lili atmete ein paarmal tief durch, bevor sie in die Küche ging und
Bonnie bat, einen Tee zu kochen.
Als sie in den Salon zurückkehrte, stand der Lord immer noch vor dem
Gemälde und betrachtete es aufmerksam.
»Ein Duncan, nicht wahr?«
»Gott bewahre. Ich habe es meinem Mann zum sechsten Geburtstag
unserer Tochter Rose geschenkt.«
»Ihre Tochter
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