Die Rose der Highlands
hatte. Er war ein weißhaariger Schotte mit einem glühenden Blick, der die Gitterstäbe seiner Zelle hätte schmelzen können, ein kleiner, dünner Mann, der mit den Händen ein paar Zentimeter über seinem Kopf an die Wand gekettet war.
Alec spürte den Hass, der ihm aus Hamishs Augen entgegenloderte, fast wie eine Berührung.
Er schaute über die Schulter zu der Wache, die in der Tür stand.
»Gebt mir die Schlüssel«, befahl er und runzelte die Stirn, als er die Überraschung auf dem Gesicht des Soldaten sah. Als Untergebener hatte er die Pflicht, jeden Befehl umgehend und mit dem gebotenen Respekt auszuführen, doch wie es schien, hatten weder Sedgewick noch seine Männer diese Lektion bisher gelernt.
»Fällt es Euch schwer, mir zu gehorchen, Sergeant?«, fragte Alec in scharfem Ton.
»Nein, Sir.« Der Soldat reichte ihm den Schlüsselbund.
Alec hörte, wie hinter ihm die Gefängnistür geschlossen wurde, als er Hamish MacRae gegenübertrat. Hamish war freundlich zu ihm gewesen, als er, Alec, ein Junge war. Er hatte ihm die Grundkenntnisse des Dudelsackspiels beigebracht, doch es war James, der das Talent und die nötige Atemluft für das Instrument besessen hatte.
Hamishs Ausdruck des Hasses hatte sich zu Verachtung gewandelt, was in Anbetracht der Tatsache, dass er an die Wand gekettet war, seltsam anmutete.
»Ihr seid also der neue Kommandant dieser Flurschande«, sagte er.
»Ja, das bin ich.«
»Seid Ihr gekommen, um Euch an meiner Angst zu weiden? Dann habt Ihr Euch den Falschen ausgesucht: Ich bin ein alter Mann und habe zu viel gesehen, um meinen Tod zu bedauern.«
Alec hob eine Braue. »Ist es eine Eigenart der Schotten, den Märtyrertod sterben zu wollen?«
»Ist es eine Eigenart der Engländer, uns dahin zu
treiben?
« Mit seinen buschigen, weißen Brauen erinnerte Hamish an einen Dachs.
»Wenn ich Euch gehen lasse – versprecht Ihr, dem Gesetz zu gehorchen? Oder wollt Ihr mir erzählen, dass Ihr noch nichts von dem Entwaffnungsgesetz gehört habt?«
»Das ist ein
englisches
Gesetz – ebenso wertlos wie alles andere, was Ihr Engländer uns gegeben habt.«
»Das ist das Problem mit Märtyrern«, sagte Alec angewidert. »Sie denken nur an sich und ihre Ideale und nicht an diejenigen, die für ihr Märtyrertum bezahlen müssen.«
»Ihr Engländer habt mir mein Land genommen und meine Familie. Meinen Stolz bekommt ihr nicht.«
Alec schloss die Handfesseln auf und trat einen Schritt zurück. Hamish senkte die Arme und rieb sich die Handgelenke, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Ich habe eine Geisel, Hamish MacRae vom Clan MacRae«, teilte Alec ihm mit. »Ihr verdankt Eure Freilassung einem Handel.«
»Ich stimme diesem Handel nicht zu«, erklärte Hamish.
Alec ignorierte es. »Euer Dudelsack wird kaputtgemacht, und ich empfehle Euch eine angemessenere Kleidung«, sagte er mit einem Blick auf Hamishs Kilt. »Das Wohl meiner Geisel hängt von Eurer Bereitschaft zum Gehorsam ab.«
Hamish straffte sich, so gut es ging. »Die wird es nciht geben. Ich bleibe hier!«
»Ihr habt keine Wahl«, gab Alec zurück.
»Wer ist Eure Geisel?«
»Leitis.« Alec wappnete sich für die Reaktion des alten Mannes.
Aber Hamish schloss nur die Augen. Als er sie gleich darauf wieder öffnete, drehte er den Kopf zur Seite und spuckte auf den Boden. »Da seht Ihr, was ich von der Drohung eines Engländers halte.«
Kein Wort der Sorge um Leitis. Er dachte überhaupt nicht an seine Nichte.
Alec rief nach der Wache. Als der Mann hereinkam, deutete Alec mit einer Kopfbewegung auf Hamish. »Schafft den alten Narren hier raus, bevor ich es mir anders überlege.«
[home]
6
A lec betrat sein Zimmer. Die Holztür ächzte leise, als er sie hinter sich schloss. Er ging zum Tisch, öffnete die Zunderbüchse und zündete die in der Mitte stehende Kerze an.
Leitis lehnte mit verschränkten Armen an einer Wand und beobachtete ihn mit ausdruckslosem Gesicht.
»Ihr wart es zufrieden, Euch in der Dunkelheit aufzuhalten?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass Euch meine Zufriedenheit kümmert«, erwiderte sie patzig.
Er zog seinen Rock aus, hängte ihn an den Haken neben der Tür und ließ seine Weste folgen. Nun trug er nur noch das Hemd und die Kniebundhose. Als er auf sie zuging, schaute sie ihm geradewegs in die Augen, als wolle sie ihn warnen, sich ihr zu nähern.
Er streckte die Hand aus und berührte ihr Haar. Es mochte im Lauf der Jahre dunkler geworden sein, doch es erinnerte noch immer an das wilde Kind
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