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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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schüttelte Leitis den Kopf.
    Er ruderte um die letzte Klippe herum, und erst in diesem Moment erkannte sie, dass eine Lücke in der vermeintlichen Barriere klaffte.
    »Das ist wahrlich ein Geheimnis«, staunte sie ehrfürchtig. »Man kann die Bucht von Gilmuir aus nicht sehen, und man kann die Öffnung im Riff nicht sehen, wenn man nicht weiß, wo man sie suchen muss.«
    Wieder lächelte er jungenhaft, dieses Mal wie nach einem gelungenen Streich.
    Er lenkte das Boot auf eine Uferböschung zu, sprang nach der Anlandung heraus, um es zu vertäuen, und streckte Leitis dann die Hand entgegen.
    Die grasbewachsene Böschung stieg langsam an. Oben stand ein Pferd, dessen schwarzer Ledersattel ein Emblem mit zwei silbernen Schilden schmückte.
    Einmal mehr über seine Tollkühnheit verblüfft, starrte sie ihn an. »Ihr habt ein englisches Pferd gestohlen!«
    »Sie haben so viele, dass sie es nicht vermissen werden«, erwiderte er ungerührt. Er musterte das Pferd genau und wandte sich dann wieder ihr zu. »Was hat es als englisch verraten?«
    Sie erklommen die Böschung, und Leitis deutete, bei dem Tier angekommen, auf die silbernen Schilde. »Das Zeichen des elften Regiments«, sagte sie.
    »Ihr kennt es?«, fragte er überrascht.
    »Die Soldaten laufen ständig vor dem Fenster meines Gefängnisses hin und her – wie sollte ich es da
nicht
kennen?«
    Der Rabe saß schwungvoll auf und reichte Leitis seine Hand. Sie legte ihre hinein, und erwartete, dass er ihr helfen würde, hinter ihr aufzusteigen. Stattdessen saß sie gleich darauf quer vor ihm, und seine Arme umfingen sie, als wolle er sie vor dem Herunterfallen beschützen.
    Er war ihr so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spürte. Sein einer Arm berührte fast ihre Brüste, ihre Knie stießen an einen seiner Schenkel, doch sie zwang sich, zu bleiben, wo sie war. Erregung durchströmte sie, und sie vermochte nicht zu sagen, ob wegen des bevorstehenden Abenteuers oder seinetwegen.
    Seine Augen waren braun wie die Erde von Gilmuir, seine Haare dunkel wie eine mondlose Nacht. Sein Mund schien zum Lachen gemacht, und sein kantiges Kinn deutete auf eine halsstarrige Natur hin, auf einen Mann, der darauf aus war, sich durchzusetzen, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Kein leichtes Unterfangen für einen Schotten in diesen Zeiten.
    »Wo seid Ihr in den vergangenen Jahren gewesen?«, fragte sie.
    »An zu vielen Orten, um sie aufzuzählen«, antwortete er vage.
    »Aber Ihr habt überlebt.«
    »Verübelt Ihr mir das?«
    »Nein.« Sie wandte den Blick ab. »Und ja«, fügte sie hinzu.
    Er schwieg abwartend.
    »Ich wünschte,
alle
wären zurückgekommen.«
    »Einschließlich dieses Marcus’, von dem Ihr spracht?«
    Sie nickte. »Und meine Brüder und mein Vater und so viele andere.«
    »Ihr habt Marcus sehr geliebt, nicht wahr?«
    Ja, sie hatte ihn geliebt, zärtlich, unschuldig, freundschaftlich. Natürlich hatte sie nie mit jemandem darüber gesprochen – es war ihr unmöglich gewesen, sich einem Menschen so weit zu öffnen –, aber sie hatte immer das Gefühl gehabt, dass Liebe noch mehr sein müsste. Urgewaltig, mächtig, wie das, was sie empfand, wenn sie den Sonnenuntergang am Loch Euliss beobachtete. Oder wenn ein Gewitter tobte, Blitze vom Himmel herabzuckten und Donnerschläge den Boden unter ihren Füßen erbeben ließen. Dann war sie von Freude und Staunen überwältigt. Und so, dachte sie, sollte die Liebe sein – wie ein Blitz, der einem ins Herz fuhr.
    So war es mit Marcus nicht gewesen, doch dieses Geheimnis würde sie auf ewig bewahren.
    Der Rabe trieb das Pferd an, bis es im gestreckten Galopp am Seeufer entlangflog. Der Wind brauste in ihren Ohren. Es hörte sich an, als lobe er sie für ihren plötzlichen und unerwarteten Wagemut. Das Band, das ihre Haare bändigte, flog davon, und sie wehten wild um ihr Gesicht herum.
    Sie war seit Jahren nicht wagemutig gewesen oder wild. Sie war vernünftig gewesen und pflichtbewusst und von einem Gram niedergedrückt, der sie nie mehr glücklich hatte sein lassen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, unter den orange, rosa und grau gefärbten Wolkenstreifen am Horizont, fühlte sie sich so lebendig und unbeschwert wie seit langer, langer Zeit nicht mehr. Sie hätte am liebsten laut gelacht vor Freude.
    Die Hufe des Pferdes donnerten über den Boden, als wollten sie die Erde aufwecken.
    Leitis hatte ihre Mutter gelegentlich in andere Clachans begleitet, wo sie Muster oder Farben tauschte, doch nie hatte sie

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