Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
regelrecht spüren. Dennoch hatte er den Eindruck, daß ihre Lippen weich und ihre Augen zärtlich werden konnten, wenn sie nur wollte.
»Ich möchte Euch danken, gnädige Frau«, sagte Mathew förmlich, »für die Rolle, die Ihr bei meiner Errettung gespielt habt.«
»Gut, aber ich bin gekommen, um herauszufinden, warum ich es getan habe. Was hat mich dazu bewogen, für dich einzutreten?« war die unerwartete Antwort der Frau, deren Augen nicht von Mathews Gesicht wichen. »Wie ist dein Name?«
»Ma…Ma…Mathew«, stotterte er verwirrt durch diese unvermittelte Frage.
»Ma-Ma-Mat-hew« versuchte Zohra den Namen nachzusprechen, wobei ihre Lippen nur widerwillig die ungewohnten Laute formten.
»Mathew«, verbesserte er sie, verspürte aber eine gewisse Freude darüber, daß ein anderer Mensch seinen Namen aussprach. Es war das erste Mal, das jemand ihn danach gefragt hatte.
»Das habe ich doch gesagt. Mat-hew«, wiederholte Zohra hochmütig. »Also, Mat-hew, kannst du mir erklären, warum ich dein Leben gerettet habe?«
»N…nein«, antwortete er unsicher. Da Zohra offensichtlich eine Antwort erwartete, suchte er angestrengt nach einer Erklärung. »Ich… kann nur vermuten, daß Euer Frauenherz Mitleid verspürt hat…«
»Pah!« Zohras Abscheu loderte heller auf als die Lampe. »Frauenherz! Ich besitze kein Frauenherz, und ich empfinde auch kein Mitleid. Wenn ich überhaupt irgend etwas empfinde, dann ist es Verachtung!« Verärgert zerrte sie an ihrem Gewand, und ihre scharfen Fingernägel zerrissen das zarte Gewebe. »Wenn ich den Körper eines Mannes besäße, würde ich mich niemals hinter diesem… diesem Leichentuch verbergen!«
»Und Ihr hättet auch nicht das getan, was ich tat, um mein Leben zu retten«, stellte Mathew fest. Beschämt senkte er unter ihrem vernichtenden Blick den Kopf. »Und er genausowenig«, fügte er leise hinzu. So leise, daß er dachte, sie hätte es nicht gehört. Aber Zohra hatte die Worte verstanden.
»Khardan? Natürlich nicht! Eher würde er den Tod von tausend Dolchen sterben, als sich in Frauenkleidern zu verstecken. Und was mich betrifft, ich bin an sie gefesselt. Wenn ich morgens aufwache und sie anziehe, ist mir jedesmal, als müsse ich sterben! Vielleicht habe ich dich deshalb gerettet. Ich sah, wie sie dich anschauten, sah, daß sie dich genauso anstarrten, wie sie mich anstarren…«
Plötzlich verstand Mathew. Der Stolz in dem schönen Gesicht verbarg einen nagenden Schmerz. Aber warum? Was stimmte hier nicht? Er konnte es nicht verstehen, denn wie sollte er von der uralten Feindschaft zwischen den beiden Stämmen wissen oder von der Heirat, die ihr Gott ihnen aufgezwungen hatte, und von der braunen sterbenden Pflanze auf dem Tel? Nur weil es ihr geradezu ins Gesicht geschrieben stand, erkannte Mathew, daß sie genauso wie er, obgleich von Menschen umgeben, vor Einsamkeit verzweifelte.
Nun war er es, der Mitleid empfand und der helfen wollte. Und zum erstenmal trat die Angst in den Hintergrund seines Denkens, die Angst, in der er in diesen schrecklichen Wochen seit seiner Gefangennahme gelebt hatte. Sie wurde von dem wohltuenden Gefühl der Fürsorge verdrängt. Dennoch war er klug genug, um zu wissen, daß er sich davor hüten mußte, ihr gegenüber seine Empfindungen zu offenbaren, wenn er sich nicht der beißenden Peitsche ihres Stolzes aussetzen wollte.
»Ich glaube nicht, daß du verrückt bist«, stellte sie plötzlich fest. Mathews Angst kehrte wieder zurück. »Ja«, fügte sie hinzu, als sie das Mißtrauen in seinen Augen aufblitzen sah, »du mußt weiterhin dafür sorgen, daß die anderen glauben, dein Geist sei krank. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das allzu schwierig ist.« Ihre Lippen verzogen sich verächtlich. »Es sind alles Narren, wie du bereits erfahren hast.«
»Und wie steht es mit… Khardan?« Mathew zögerte und bemerkte, wie sich sein Gesicht rötete. »Glaubt er… daß ich verrückt bin?«
Zohra zuckte mit den schlanken Schultern und brachte dadurch ihr Seidengewand zum Rascheln. Ein Hauch ihres Parfüms wurde mit der sich ausbreitenden Wärme im Zelt verteilt. »Wie kommst du auf den Gedanken, daß ich wüßte oder mich darum kümmern würde, was er glaubt?« Ihre Augen forderten Mathew zu einer Antwort heraus.
»Es gibt keinen Grund, außer…« Der junge Mann zögerte, da er dieses Gespräch über die intimen Verhältnisse zwischen Mann und Frau als unangenehm empfand. »…weil Ihr seine Frau seid. Ich dachte, er
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