Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
nicht für verrückt? Fang an und erzähle deine Geschichte.«
Mathew versuchte seine Gedanken zu sammeln – eine wirklich schwierige Aufgabe. Nicht einmal in seinen wildesten Phantasien hätte er sich vorstellen können, daß er jemals inmitten der Wüste in einem Zelt sitzen würde, um die Geschichte zu erzählen, und dabei ununterbrochen von den feurigen Augen einer wilden und hinreißend schönen Frau unverwandt angesehen zu werden.
Er erinnerte sich daran, wie er als kleiner Junge am ersten Tag seines Eintritts in die Schule der Weisen der Erzählung hingerissen gelauscht hatte. Er sah den Erzmagus in seiner schwarzen Robe wieder vor sich, die Reihen hölzerner Tische und die düsteren, hochaufragenden Steingebäude, die ihn damals mit Ehrfurcht erfüllt hatten.
»Nach unserem Glauben gebietet unser Gott über Gaben und Segnungen, die er jenen gnädig gewährt, die ihm treu ergeben sind«, erläuterte Mathew und sah Zohra fragend an, die daraufhin ernst nickte, um zu zeigen, daß sie ihn verstanden hatte. »Aber nur Sul, der den Mittelpunkt von allem bildet«, fuhr Mathew fort, »verfügt über Magie. Er teilt diese Gabe mit jenen, die gelehrten und ernsthaften Charakters sind, die demütig zu ihm kommen und ihm zu dienen geloben, indem sie ihr Leben den Studien und der harten Arbeit widmen. Damit ist nicht nur das Streben nach Magie gemeint, sondern auch das Bemühen, über alle Dinge in der Welt Wissen zu erlangen.
Vor langer Zeit forschte eine Gruppe von Weisen so intensiv, daß sie die gelehrtesten und klügsten Männer und Frauen auf der Welt wurden. Sie beherrschten nicht nur die Magie, sondern auch Sprachen, Philosophien, Wissenschaften und viele andere Künste. Weil sie jeweils die Sprachen und Bräuche der anderen Wissenden erlernt hatten, waren sie in der Lage, ihr Wissen auszutauschen und weiter zu vermehren. Statt bei ihren eigenen Göttern zu bleiben, richteten sie sich immer mehr nach Sul, dem Zentrum, aus. Aber als sie dort hinblickten, sahen sie den Streit und den Aufruhr in der Welt. Sie kamen darin überein, daß all das durch die Reibereien, Meinungsverschiedenheiten und das Gezänk der Götter untereinander verursacht wurde, die immer nur einen Teil der Wahrheit, nicht aber das Ganze kannten. Die Wissenden gelangten mit der Zeit gemeinsam zu der Auffassung, daß sie ihre Magie nutzen sollten, unter den Göttern Eintracht zu stiften.
Unglücklicherweise fühlten sich die Götter dadurch bedroht, suchten Sul auf und forderten, die Magie aus der Welt zu verbannen. Doch die Magie hatte die Welt schon so sehr durchdrungen, daß Sul ihrer Forderung nicht mehr nachkommen konnte. Sul geriet in Zorn über die Weisen, weil sie seine Gabe mißbraucht hatten, und tadelte sie schwer. Er beschuldigte sie, danach zu streben, selbst Götter werden zu wollen.
Doch die getadelten Weisen wiesen die Vorwürfe zurück und behaupteten, daß ihre Sorge nur dem Leiden ihrer Mitmenschen gegolten habe. Sie klagten die Götter an, dies über ihren selbstsüchtigen Streitereien vergessen zu haben. Das schmerzte Sul, und er bat die Weisen um Verzeihung. Allerdings forderte er, daß ein Weg gefunden werden müsse, um die Götter zu besänftigen, da sie sonst weiter darauf bestünden, die Magie aus der Welt zu verbannen. Die Weisen stimmten dem zu.
Seitdem konnte Magie nur noch mit Hilfe materieller Objekte – Zauberwerkzeuge, Amulette und Zaubertränke – ausgeführt werden. Damit waren jene, die sie benutzten, sowohl durch ihre eigenen menschlichen Grenzen als auch durch die physikalischen Eigenschaften dieser Objekte eingeschränkt. Die Götter brauchten die Magie nicht mehr als Bedrohung ihrer eigenen Macht zu empfinden, und die Weisen konnten weiterhin überall hinreisen, um für das Wohl der Menschheit zu sorgen. Und das«, schloß Mathew erleichtert, »war meine Geschichte.«
»Und Sul hat ihnen nicht die Zungen herausgeschnitten?« fragte Zohra enttäuscht.
»Ihre Zungen heraus… Nein, natürlich nicht!« antwortete Mathew entrüstet. »Schließlich ist Sul doch ein Gott und kein…« Er hätte beinahe »Barbar« gesagt, aber auf einmal war ihm durch das, was er erlebt hatte, bewußt geworden, daß die Götter dieser Leute hier wirklich Barbaren waren! Er geriet ins Stottern und verfiel dann in Schweigen.
Zum Glück bemerkte Zohra nichts davon. Sie war in ihre eigenen Gedanken versunken.
»Und du bist also ein Zauberer, der die Kunst Suls beherrscht? Welche Magie vermagst du anzuwenden? Zeige es
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