Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
zu übergeben.«
»›Tochter‹… sie sagte… ›Tochter‹?« fragte Zohra leise.
»Warum denn nicht? Du bist doch ihre Tochter, wenn auch nur in den Augen des Gottes.«
»Es ist nur… sie hat mir noch niemals etwas geschenkt«, murmelte Zohra verwundert.
Sie kniete nieder und untersuchte die Kohlenpfanne. Es war eine mit viel Geschick gegossene und schön gravierte Handwerksarbeit aus Messing, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Die Pfanne ruhte auf drei Füßen, die den Tatzen eines Löwen nachgebildet waren. Rund um den Deckel waren in einem Schmuckband viele kleine Öffnungen ausgestochen, die zum Abzug des Rauchs dienten. Zohra lugte hinein und erspähte sechs Holzkohlenstücke, die mit Bedacht in den Messingbauch hineingelegt worden waren. In dieser baumlosen Region stellte die Holzkohle an sich schon ein beinahe ebenso wertvolles Geschenk wie die Messingpfanne dar.
Sofort dachte sie daran, daß das Schmuckstück bestimmt von Khardan käme. »Der Mann ist zu stolz, um mir das Geschenk selbst zu überreichen«, vermutete sie. »Er fürchtet, daß ich es zurückweise, und benutzt deshalb diese List, um es mir zukommen zu lassen.«
»Was hast du gesagt, Gebieterin?« fragte der Dschinn und unterdrückte angestrengt ein Gähnen.
»Ach, nichts.« Versonnen lächelnd fuhr Zohra mit dem Finger den feinen Gravuren und Verzierungen des Deckels nach. »Verschwinde in deine eigene Pfanne. Für einen fetten Dschinn habe ich heute nacht keine Verwendung.«
»Die Gebieterin ist die Freundlichkeit in Person!« bemerkte Usti, löste sich mit einem Seufzer der Erleichterung in Rauch auf und zog sich eiligst in die Ruhe und den Frieden seiner eigenen Behausung zurück.
Zohra trat die Holzkohlenpfanne des Dschinns mit dem Fuß zur Seite, ohne das mitleiderregende Wehklagen aus dem Inneren zu beachten, und stellte die neue Holzkohlenpfanne auf den Boden unter die Zeltöffnung. Beim Entzünden der Kohle stieg ihr ein feiner Wohlgeruch in die Nase. Sie glaubte, daß es Zitronen- oder gar Rosenbaumholz wäre, doch nie zuvor hatte sie etwas Ähnliches gerochen.
Das Geschenk mußte einfach von Khardan kommen, dachte sie, als sie sich für die Nacht zurechtmachte. Sie legte sich nieder und beobachtete, wie der Rauch aus dem Kohlenbecken emporstieg und sich durch die Zeltöffnung hinauskräuselte. Aber warum nur? Warum hatte Khardan das getan? Allem Anschein nach grollt er mir doch, da ich diese blonde Rose verdrängt habe, die er im Garten des Sultans gepflückt hat. Seit der Nacht seiner Rückkehr hat er kein einziges Wort mehr mit mir gewechselt. Vielleicht ist seine Wut abgekühlt, und er hat bisher keine andere Möglichkeit gefunden, mir das zu zeigen. Ich werde ihm beweisen, daß auch ich großmütig sein kann. Zu guter Letzt habe ich wieder einmal gewonnen, und morgen werde ich ihm vielleicht sogar ein Lächeln schenken…
Vielleicht.
Bei diesem Gedanken freute sich Zohra, löschte die Öllampe, legte sich auf die Kissen nieder und zog die Wolldecken über sich. Die Holzkohle in der neuen Pfanne glühte weiter vor sich hin, verbreitete eine behagliche Wärme im Zelt und verbannte so die Kälte der Wüstennacht.
Usti versteckte sich in seiner eigenen Pfanne, stellte die durcheinandergeworfenen Möbel auf und tröstete sich über sein schweres Schicksal hinweg, indem er Pflaumenwein trank und große Mengen gezuckerter Mandelpaste vertilgte.
Es wurde tiefe Nacht. Zohra war in einen traumlosen Schlaf gefallen. Von der roten Glut der Holzkohle stieg unablässig Rauch auf. Doch nun trieb er nicht mehr in einem dünnen, sich kräuselnden Faden durch die Zeltöffnung davon, sondern langsam und unmerklich erwachte er zum Leben und begann, windend und wirbelnd, einen bösen, verderbenbringenden Tanz…
17
Das Lager war in tiefem Schlaf versunken. Nur Mathew lag noch wach auf seinen Kissen und dachte bei sich, daß er noch nie zuvor eine derart laute Stille vernommen hätte, so, als ob sie in seinem Kopf widerhallte. Er setzte sich und lauschte angestrengt auf irgendein Geräusch – welches auch immer, es würde ihm Trost in seiner Einsamkeit spenden. Aber nicht einmal das Wimmern eines Kleinkinds oder auch nur das unruhige Wiehern eines Pferdes, das die Witterung eines umherstreifenden Löwen oder Schakals aufgenommen hatte, wollte ihm einen Halt geben. Er hatte den Eindruck, daß sich in dieser Nacht nicht ein einziges Wesen in der Wüste regte.
Mathew setzte sich auf den Rand seines Lagers und legte
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