Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
ohne es seinen Bruder sehen zu lassen. In Gedanken versetzte er sich in die Zeit zurück, als er sich mit siebzehn von seiner Mutter verabschiedet hatte. Auch damals waren Tränen geflossen, und es waren nicht nur die seiner Mutter gewesen. Das hatte ihn noch tagelang beschämt. Inzwischen war er älter und verstand. Aber auch er hatte einen nicht gerade leichten Besuch vor sich.
»Du bist jetzt ein Mann«, gab er seinem Bruder streng zu verstehen. »Und deshalb mußt du auch wie ein Mann handeln. Oder möchtest du etwa ohne die Gebete deiner Mutter in die Schlacht ziehen?«
»Nein, Khardan.«
»Dann also los mit dir!« Khardan gab ihm einen weiteren kleinen Stoß, diesmal in Richtung von Majiids Harem. »Bis gleich. Du sollst zu meiner Rechten reiten, wenn es losgeht.«
Das war eine große Ehre. Achmeds Gesicht glühte vor Stolz und Freude, während er sich umwandte und quer durch das Lager in Richtung von Majiids Zelt davonpreschte.
Khardan blickte ihm lange nach, war mit seinen Gedanken jedoch nicht bei seiner Mutter. Er wollte noch von Meryem Abschied nehmen, obgleich sich das für Unverheiratete nicht schickte. Doch zuvor hatte er noch jemand anderem Lebewohl zu sagen, so sehr ihm das auch mißfiel.
Er wandte sich um und verließ sein Zelt. Während er den kurzen Weg durch das Lager zu den Wohnzelten seiner Frauen hinter sich brachte, musterte er unwillkürlich den Himmel und sah, daß im Westen dunkle Wolken aufzogen. Für diese Jahreszeit war ein Sturm recht ungewöhnlich. Da er aber noch weit entfernt über dem Vorgebirge war, dachte sich Khardan nichts dabei. Die wenigsten Wolken schafften es aus den Bergen in die Ebene, denn vorher sog die Wüstenhitze die Feuchtigkeit förmlich aus ihnen heraus, und sie lösten sich für gewöhnlich einfach auf. Khardan wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als ihm einer seiner Spahis eine Frage zurief, und noch während er antwortete, war der Sturm schon vergessen.
Das ganze Lager befand sich in Aufruhr – die Männer schärften ihre Klingen an kreischenden Schleifsteinen, holten Sättel und Zaumzeug zusammen, verabschiedeten sich von ihren Familien und bekamen von ihren Frauen schützende Amulette und Talismane umgehängt. Khardan hielt einen Augenblick inne und beobachtete einen Vater, der seine Kleinen in die Arme schloß und fest an sich drückte.
Dem Kalifen zog sich das Herz bei diesem Anblick schmerzlich zusammen, wünschte er sich doch nichts sehnlicher als eigene Kinder. Als ältester Sohn Majiids zahlreicher Nachkommenschaft hatte eine seiner größten Freuden darin bestanden, seine jüngeren Brüder aufwachsen zu sehen und sie in den Reit- und Kriegskünsten zu unterweisen. Wie stolz würde er erst sein, diese Fertigkeiten an seinen eigenen Sohn weiterzugeben. Und dann wünschte er sich noch ein kleines anhängliches Mädchen (in seiner Vorstellung hatte sie blaue Augen und blonde Haare). Vor aller Unbill dieser harten Welt sollte sie in seinen starken Armen Schutz finden. Er stellte sich vor, wie sie ihm später ein neues Spielzeug oder ein Paar Ohrringe abschmeichelte. Ihre zärtlich neckende Stimme, ihre sanften Hände… die so sehr ihrer Mutter glichen…
Khardan schüttelte heftig den Kopf und sah sein Ziel vor sich – das Zelt seiner Frau Zohra. Zu diesem Besuch war er verpflichtet, ehe er in die Schlacht zog. Das forderte die Tradition, die sich nicht darum scherte, daß er mit seiner Frau seit der Nacht nicht mehr gesprochen hatte, in der er Meryem in das Lager und in das Zelt seines Vaters gebracht hatte. Sie hatten sich auch nur dann angesehen, wenn es sich wirklich nicht mehr vermeiden ließ.
Mit düsterer Miene warf er die Zeltplane am Eingang beiseite und trat ein.
Sie hatte ihn bereits erwartet.
Zohra stand mit kühlem, unbewegten Ausdruck auf und begrüßte ihn, ohne sich jedoch dabei zu verbeugen, wie es sonst zwischen Mann und Frau Brauch war. Im Hintergrund des Zeltes erhob sich noch jemand. Khardan war überrascht, Mathew hier vorzufinden. Erstaunt betrachtete er lange Zeit Zohra, denn er war über ihre ungewöhnliche Fürsorge und Rücksicht verblüfft, mit der sie ihm die Demütigung erspart hatte, das Zelt dieses Verrückten zu betreten, um sich von ihm, wie von einer echten Frau, zu verabschieden.
Dieses unerwartete Entgegenkommen sollte ihn jedoch nicht vom wahren Zweck seines Besuchs abhalten. Seine Wut verschärfte sich nur noch, als er beide nebeneinander stehen sah. Allmählich glaubte er, daß sich Hazrat Akhran
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