Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
immer noch unter uns.«
Der junge Mann starrte ihn an. Er konnte nicht mehr sprechen, seine Zunge schien ihm im Mund geschwollen zu sein, die Kehle war ausgetrocknet. Der Eid auf Sul war das schrecklichste, das bindendste Gelübde, das ein Unsterblicher nur ableisten konnte.
Wenn das, was ich jetzt wiederhole, nicht die Wahrheit sein sollte, möge Akhran mich nehmen, wie ich hier stehe, und mich in meine Behausung sperren und diese Behausung in den Schlund des Sul stürzen, und möge Sul mich verschlingen und mich tausend Jahre lang in der Finsternis seines Bauchs gefangenhalten.
So lautete der Eid. Viele Male hatte Achmed gesehen, wie den Dschinnen (vor allem Pukah) mit dem Eid gedroht wurde, und jedesmal hatte er mit anschauen können, wie sie einen Rückzieher machten und sich weigerten ihn abzuleisten. Dies war das erste Mal, daß er von jemandem hörte, der ihn tatsächlich abgeleistet hatte.
Benommen und blind vor Tränen, konnte er nur noch flüstern: »Wie?«
»Fedj war nicht bei der Schlacht anwesend. Er wurde von Raja, Zeids Dschinn, aufgehalten, der ihn angriff. Da er um seinen Gebieter bangte, zog sich Fedj so schnell er konnte zurück, mußte aber feststellen, daß die Schlacht bereits beendet war. Er fand Jaafar unter den Verwundeten. Nachdem er seinen Herrn in Sicherheit gebracht hatte, machte Fedj sich daran nachzusehen, ob es noch jemanden gab, der seiner Hilfe bedurfte. Die Soldaten des Emir brannten gerade das Lager nieder, und es herrschte großes Durcheinander. Die Dämmerung hatte eingesetzt, die Luft war vom Rauch geschwängert. Fedj hörte ein Geräusch und sah, wie drei Frauen die Gelegenheit nutzten, vor den Soldaten zu fliehen. Fedj wollte ihnen helfen und flog auf sie zu. Als er zum Sprechen ansetzte, sah er, wie der Schleier vom Gesicht einer der Frauen rutschte…«
Als er den schmerzlichen Ausdruck in Achmeds Augen sah, verstummte Saiyad und senkte den Blick.
»Khardan?« murmelte der junge Mann; es war mehr ein Seufzen als ein gesprochenes Wort.
Saiyad nickte.
Das zerbrochene Schwert in der Hand, sackte Achmed gegen die Gitterstäbe des Tors. Dann rief er zornig: »Ich glaube es nicht! Vielleicht war er verwundet, bewußtlos, und die anderen halfen ihm!«
»Weshalb ist er dann nicht zurückgekehrt? Er weiß doch, daß sein Volk ihn braucht! Es sei denn…«
»Es sei denn, was?« Achmed hob schnell den Blick.
»Es sei denn, er ist wirklich ein Feigling…«
Achmed packte Saiyad und rammte das Gesicht des Manns gegen die Stäbe. »Schwein! Wer ist hier der Feigling! Wer ist denn auf dem Bauch angekrochen gekommen? Ich bringe dich um, du…!«
Der Imam bemerkte, daß Saiyad diesmal in echten Schwierigkeiten war. Gemeinsam mit dem Wärter gelang es ihm, den Nomaden aus Achmeds Würgegriff zu lösen.
»Der Überbringer schlechter Nachrichten wird immer so behandelt, als sei es seine Schuld«, bemerkte Saiyad und rückte seine Gewänder wieder zurecht. »Andere hatten Angst, es dir zu sagen, aber ich meinte, du solltest es erfahren.«
»Der Überbringer schlechter Nachrichten wird nur dann so behandelt, wenn es ihm Freude bereitet, sie zu erzählen!« entgegnete Achmed. »Du hast Khardan gehaßt, seit er dich wegen des Verrückten als Narren dargestellt hat!« Diese Worte kamen so erstickt heraus, daß sie kaum voneinander zu unterscheiden waren. »Geh mir aus den Augen, Hund!« Achmed wedelte mit dem zerbrochenen Schwert. »Mein Vater hat recht! Khardan ist tot!«
Die Zornesröte stieg Saiyad ins Gesicht. »Ich will es hoffen, um seinet- wie um deinetwillen!« fauchte er.
Halbblind vor Wut warf sich Achmed gegen die Gitterstäbe und stach mit dem zerbrochenen Schwert nach Saiyad, als besäße es noch eine Klinge.
Beunruhigt über dieses Schauspiel und in der Furcht, daß der junge Mann sich selbst verletzen könnte, schob der Imam Saiyad vom Tor fort. »Kehre nach Hause zurück!« wies der Priester ihn mit leiser Stimme an. »Du kannst hier nichts mehr ausrichten!«
Wärter kamen über den Hof gelaufen. Sie packten Achmed an beiden Armen und zerrten den jungen Mann vom Tor. Saiyad sah den Priester in wütendem Trotz an und trat näher. »Hör mir zu, Achmed! Als Volk und als Staat sind wir am Ende. Akhran hat uns im Stich gelassen. Du und die anderen dort drin«, er wies mit einem Kopfnicken auf das Gefängnis, »ihr müßt euch damit abfinden. Jetzt weißt du, weshalb ich mich Quar zugewandt habe. Er ist ein Gott, der die Seinen beschützt und belohnt.«
Mit letzter
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