Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
geduldig auf ihren Pferden in der heißen Sonne warteten. Er wußte zwar, daß seine Männer dort klaglos verharren würden, bis sie umfielen, aber ihre Reittiere begannen – ob sie nun magische Wesen waren oder nicht –, darunter zu leiden. Der Emir verwünschte sich dafür, daß er sie in seiner Gedankenverlorenheit vergessen hatte, und so befahl er dem Hauptmann, die Wache absitzen und die Pferde tränken zu lassen. Der Hauptmann ging davon, und der Emir blieb allein mit dem jungen Mann zurück.
»Wie lange bist du hier schon eingesperrt?« fragte Qannadi und trat näher, um auf den jungen Mann hinunterzublicken.
Achmed schüttelte den Kopf.
»Einen Monat? Zwei? Ein Jahr? Das weißt du nicht? Aha, das ist gut. Das bedeutet, daß wir im Begriff sind, dich zu brechen.«
Der junge Mann hob schnell den Blick, seine Augen funkelten.
»Ja«, fuhr Qannadi ungerührt fort, »es bedarf des Kampfgeists, einer Willensanstrengung, den Lauf der Zeit im Auge zu behalten, wenn man sich in einer Lage befindet, in der jeder Tag der Qual in eine Nacht der Verzweiflung übergeht, bis alle völlig gleich erscheinen. Du hast die Armseligen gesehen, die schon seit Jahren hier sind. Du hast gesehen, wie sie nur noch für den Augenblick leben, da sie ihr wurmstichiges Brot und ihren Becher brackiges Wasser bekommen. Schlimmer als die Tiere, nicht wahr? Viele haben das Sprechen verlernt.« Qannadi erblickte Furcht im Auge des jungen Manns, und er lächelte in innerer Genugtuung. »Ich kenne das, mußt du wissen. Ich war selbst für eine Weile im Gefängnis. Damals war ich nicht viel älter als du, ich hatte gegen die Krieger der Großen Steppe gekämpft.
Es sind wilde Kämpfer, diese Männer von Hammah. Ihre Frauen kämpfen an ihrer Seite. Ich schwöre es bei Quar, das ist wahr«, fügte Qannadi ernst hinzu, als er Achmeds ungläubigen Blick bemerkte. »Es ist ein harter Menschenschlag – die Frauen sind ebenso groß wie die Männer. Sie haben goldenes Haar, das sie vom Tag ihrer Geburt an niemals schneiden. Wenn sie kämpfen, tun sie es in Paaren – Ehemann und Ehefrau oder Verlobte gemeinsam. Der Mann steht rechts und schwingt Schwert und Lanze, die Frau steht zu seiner Linken mit einem riesigen Schild, der sie beide schützt. Fällt der Ehemann, kämpft die Frau so lange weiter, bis sein Tod entweder gesühnt wurde oder sie selbst neben seinem Leichnam zu Boden geht.« Qannadi schüttelte den Kopf. »Und wehe dem Mann, der einer Schildmaid das Leben raubt!«
Völlig hingerissen lauschte Achmed ihm mit schimmernden, staunenden Augen. Befriedigt hielt Qannadi einen Augenblick inne. Er hatte die Geschichte seinen Söhnen erzählt, aber nur unterdrücktes Gähnen oder gelangweilte Blicke geerntet.
»Ich habe Glück gehabt.« Qannadi lächelte wehmütig. »Ich bekam keine Gelegenheit, jemanden zu töten. Ich wurde gleich beim ersten Vorstoß entwaffnet und bewußtlos geschlagen. Sie nahmen mich gefangen und warfen mich in ihre Kerker, die sie in Berghänge geschlagen haben. Am Anfang war ich wie du. Mein Leben war verwirkt, dachte ich. Ich verwünschte mein Schicksal, weil ich nicht mit meinen Kameraden gefallen war. Aber die Hammadianer sind ein gerechtes Volk. Sie boten jedem von uns an, sich aus der Gefangenschaft durch Arbeit freizukaufen, aber ich war zu stolz dazu. Ich weigerte mich. Ich saß in meiner Zelle und schwelgte in meinem Leid, Tag um Tag, blind für das, was mit mir geschah. Dann passierte etwas, das mir die Augen öffnete.«
»Was war das?« Achmed sprach es aus, ohne nachzudenken. Er errötete, biß sich auf die Zunge und wandte den Blick ab.
Qannadi bewahrte sorgfältig eine ausdruckslose, ungerührte Miene. »Als die Hammadianer mich gefangengenommen hatten, verprügelten sie mich zunächst jeden Tag. Sie hatten einen Pfahl in der Mitte des Gefängnishofs aufgestellt, an dem sie einen Mann aufzustellen pflegten, und zwar so«, der Emir zeigte es ihm, »und seine Hände oben mit Ketten festbanden. Dann rissen sie mir die Kleider vom Rücken und zogen einen Lederriemen über meine Schultern. Die Narben habe ich noch heute.« Qannadi sprach in unbewußtem Stolz. Inzwischen beobachtete er Achmed nicht mehr; er sah nur noch in seine eigene Vergangenheit zurück. »Und eines Tages haben sie mich nicht geschlagen. Ein weiterer Tag verging und noch einer, und noch immer ließen sie mich in Ruhe. Meine Kameraden, die noch am Leben waren, wurden weiterhin bestraft. Ich dagegen nicht. Eines Tages hörte ich, wie ein
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