Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
aus einer Deckung erhob, den Pfeil schußbereit, um dem Krieg ein Ende zu setzen, indem er den General tötete. Achmed sah sich schon selbst, wie er sich schützend vor den Emir warf (nachdem die Feiglinge von der Leibwache des Königs natürlich bereits die Flucht ergriffen hatten). Er sah den Pfeil fliegen, fühlte, wie er seine Haut streifte (nichts Ernstes…). Er sah sich, wie er sein Schwert zog und dem Medaner den Garaus machte. Er würde dem Mann das Haupt abschlagen und es dem Emir überreichen. Dann würde er mit bescheiden gesenktem Blick sagen: »Die Wunde? Nur ein Kratzer, mein Gebieter. Frohen Mutes würde ich mich von tausend Pfeilen durchbohren lassen, wenn ich meinem König damit dienen könnte.«
Doch die Medaner waren so selbstsüchtig, nicht mitzuspielen. Kein Meuchelmörder kroch durch das Gestrüpp oder kauerte hinter den Felsen. Als Achmed sich schon dabei sah, wie er auf einem Schild davongetragen wurde, warfen die Medaner soeben ihre eigenen Schilde zu Boden und händigten den Siegern ihre Waffen aus.
Nachdem die Schlacht geendet war, ritt der Emir die lange Gefangenenreihe auf und ab, die man vor den Stadtmauern aufgestellt hatte. Die meisten Medaner standen mit gesenkten Köpfen da, in mürrischem oder furchtsamem Schweigen. Doch gelegentlich sah Achmed, der an Qannadis Seite ritt, wie sich ein Kopf hob, wie ein Mann aus dem Augenwinkel zu dem König aufblickte. Die strenge und starre Miene des Emirs veränderte nie ihren Ausdruck, aber sein Blick traf die Augen des Gefangenen. Der Mann würde daraufhin wieder zu Boden blicken, und Achmed wußte, daß er jemanden zu Gesicht bekommen hatte, der in Qannadis Sold stand – einen Wurm, den der Emir gekauft hatte, um die Frucht von innen heraus auszuhöhlen.
Achmed vernahm angewidertes Murren aus der Leibwache des Königs, die hinter ihm ritt. Auch hier wußte man um die Bedeutung dieser Blicke. Wie die meisten Soldaten, hatten sie keine Verwendung für Verräter, selbst wenn die Verräter auf ihrer Seite waren.
Das Gesicht des jungen Manns brannte, und er ließ den Kopf hängen. Er empfand dieselben Regungen des Ekels angesichts jener, die ihr eigenes Volk verraten hatten, doch konnte er sich selbst nur fragen: »Was soll denn der Unterschied zwischen ihnen und mir sein?«
Die Inspektion war beendet, und Qannadi gab bekannt, daß der Imam zu den Gefangenen sprechen würde. Der Emir ritt mit seinem Stab davon. Achmed nahm in einigen Schritten Abstand seinen Platz neben Qannadi ein.
Als das Sattelleder des Emirs knarrte und er leicht hüstelte, hob Achmed den Kopf und blickte den Mann an. Für einen kurzen Augenblick flackerte ein warmes Lächeln in den dunklen Augen.
»Du bist aus Liebe zu mir gekommen, nicht um des Geldes willen«, lautete die stumme Nachricht.
Woher hatte Qannadi gewußt, was er dachte? Nicht daß es eine Rolle spielte. Es war nicht das erste Mal, daß ihre Gedanken denselben Weg geritten waren. Achmed fühlte sich getröstet und gestattete es sich, diese Antwort anzunehmen. Er wußte, daß sie wenigstens teilweise der Wahrheit entsprach.
Im Laufe des letzten gemeinsam verbrachten Monats hatte Achmed Qannadi mit der Hingabe eines Sohns lieben und ehren gelernt – er schenkte dem Emir die Zuneigung, die er nur zu gern seinem eigenen Vater geschenkt hätte, wäre Majiid auch nur ein wenig daran interessiert gewesen, sie anzunehmen. Achmed fand einen Vater, Qannadi den Sohn, den er niemals aufgezogen hatte, weil er stets von Krieg zu Krieg geeilt war.
Der Emir achtete sorgfältig darauf, sich seine wachsende Zuneigung zu dem jungen Mann nicht allzusehr anmerken zu lassen, denn er wußte, daß Yamina ihn, ihren Mann, eifersüchtig beobachtete. Ihr eigenes Kind stand an, die Stellung und den Besitz des Emirs zu erben, und weder sie noch ihr verweichlichter Pfau von einem Sohn würden auch nur einen Augenblick zögern, jedem, der eine Bedrohung auf diesem Weg darstellen könnte, ein Geschenk von Mandeln in vergiftetem Zucker zu schicken. Vor langer Zeit war eine schöne junge Frau, der Qannadi besonders gewogen gewesen war und die ihm ungefähr zur gleichen Zeit ein Kind gebären sollte wie Yamina, auf ähnliche Weise umgekommen.
Solche Dinge waren am Hof nichts Ungewöhnliches, und Qannadi nahm es hin. Doch war das vielleicht auch einer der Gründe dafür, daß er danach keinerlei große Zuneigung für irgendeine seiner Frauen mehr gezeigt hatte.
Der Emir verlieh Achmed den Rang eines Hauptmanns, unterstellte ihm die
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