Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
lag und deren Aufgabe beendet war, versammelten sich um Khardan; ihre Augen leuchteten von einem gierigen, gespenstischen Licht. Der Kalif versuchte aufzustehen, doch Kiber trat ihm ins Gesicht und schleuderte ihn aufs Deck zurück. Die Ghule kamen näher, begannen die schreckliche Verwandlung vom Mensch zum Dämon zu vollziehen. Als er sie erblickte, schüttelte Khardan den Kopf, um wieder richtig sehen zu können, dann mühte er sich erneut, aufzustehen.
Hör auf! schrie Mathew in stummer Qual, die Fäuste geballt. Hör auf zu kämpfen! Laß es enden!
Auda ibn Jad deutete auf die Boote und gab Befehle. Kiber wandte sich um, um sie auszuführen, dabei trieb er seine Stiefelspitze in Khardans Eingeweide. Mit einem qualvollen Keuchen sank der Kalif wieder aufs Deck und erhob sich nicht mehr.
Die Ghule drängten näher, ihre Zähne wurden länger, ihre Finger verwandelten sich in Krallen.
»Bringt die Frauen«, sagte ibn Jad, und Kiber gab den Gumen, die Zohra festhielten, ein Zeichen. Sie starrte die Ghule in benommenem Unglauben und Entsetzen an, schien nicht zu begreifen, was hier geschah. Die Gume zerrten sie nach vorn, wo die Boote am Schiff anzulegen begannen. Sie drehte sich um, blickte zu Khardan hinüber, der seinen Leib gegen das Deck preßte, als könnte er entkommen, indem er sich in das Holz verkroch. Heulend beugten sich die Ghule mit heißem Atem über ihn, und Khardans Arme zuckten, seine Hände ballten sich verkrampft. Dann senkten sich krallenbewehrte Finger tief in sein Fleisch, und der Kalif schrie auf.
Mathew hatte die Hand tief in den Beutel geschoben; er wußte selbst nicht mehr, wie. Seine Finger schlossen sich um den kalten Stab aus Obsidian. Er war sich nicht bewußt, was er da tat, und als er den Stab hervorholte, schien die Hand, die ihn hielt, einem anderen zu gehören, war die Stimme, die die Worte sprach, die eines Fremden.
»Wesen des Sul«, rief er und richtete den Stab auf die Ghule, »im Namen von Astafas, dem Fürsten der Finsternis, ich befehle euch, zu weichen!«
Die Welt verfinsterte sich vollständig. Für einen Herzschlag schien die Nacht alle, die auf dem Schiff standen, zu verschlingen. Im nächsten Augenblick war das Licht wieder zurückgekehrt.
Eine knochige, runzlige Kreatur, deren Haut die Farbe von Kohle hatte, stand breitbeinig über Khardan. Ihre Augen waren feuerrot, die Zunge eine flackernde Flamme. Sie hob eine Hand mit gespaltenen Fingern und richtete sie auf die Ghule.
»Habt ihr meinen Herrn nicht gehört?« zischte der Wisch. »Fort mit euch, auf daß er nicht Sul anrufe, euch in die feurigen Tiefen zu stürzen, wo ihr niemals mehr süßes Fleisch schmecken oder heißes Blut trinken werdet.«
Die Ghule stockten; manche hatten ihre Krallen schon in Khardans Fleisch geschlagen, andere waren mit den Zähnen nur noch wenige Zoll von seinem Körper entfernt. Sie starrten den Wisch vernichtend an. Der Wisch starrte zurück, seine roten Augen brannten heftig.
»Ewiger Hunger, ewiger Durst…«
Einer nach dem anderen ließen die Ghule Khardan fahren. Langsam, die Augen dabei immer auf den Wisch gerichtet, wichen sie von dem Kalifen zurück, verwandelten sich von Dämonen wieder in Menschen.
Befriedigt ließ der Wisch immer wieder die Zunge hervorschnellen, als er sich zu Mathew umdrehte und sich verneigte.
»Gibt es noch etwas zu tun, mein Dunkler Meister?«
3
Mathew hätte fast den Stab fallenlassen.
Von allen staunenden Leuten an Bord war der junge Hexer am meisten von sich überrascht.
Als er spürte, wie der Stab seinen zitternden Fingern zu entgleiten begann, ergriff Mathew ihn mit einem krampfhaften Zucken der Hand, reagierte eher instinktiv als bewußt. Einen Zauberstab während des Verhängens eines Zaubers fallenzulassen galt unter allen Hexern als schwerer und gefährlicher Fehler. Fast jeder junge Lehrling tat das irgendwann einmal, und Mathew konnte noch immer die Stimme des Erzmagus vernehmen, wie sie zornig in seinen Ohren hallte. Die Ausbildung des jungen Hexers war seine Rettung. Er gewann zusätzliche Kraft aus der plötzlichen, furchterregenden Erkenntnis, daß er, sollte der Zauberbann gebrochen werden, in viel größerer Gefahr schweben würde, als wenn sich sämtliche Ghule der Unterwelt um ihn geschart hätten.
Einen Augenblick bevor der Wisch sich verneigte, sah Mathew deutlich in den Augen der Kreatur das lodernde Verlangen, seine unsterbliche Seele an sich zu reißen. Es würde also Mathew sein, der auf alle Zeiten
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