Die Rose des Propheten 5 - Das Buch der Nomaden
begannen zu verblassen. Mathew spürte, wie etwas seine Wange streifte, etwas Weiches und Leichtes und Zärtliches wie eine Feder, und er hob schnell die Hand, um es zu ergreifen, doch da war nichts.
»Khardan!« rief Zohra und griff nach ihm. »Die wollen uns hier im Stich lassen! Du darfst sie nicht ziehen lassen!«
»Ich kann sie nicht daran hindern!« rief Khardan gereizt und schüttelte ihre Hände ab. »Was soll ich denn tun? Ich bin nicht mehr ihr Gebieter!«
»Aber ich bin es!« kreischte eine schrille Stimme.
2
Alle drehten sich erschrocken um, denn während des Streits hatten sie den dürren kleinen Mann völlig vergessen, Genaugenommen hatte niemand während der Reise sonderlich auf Meelusk geachtet. Der Fischer mit den Knopfaugen und dem durchtriebenen Gesicht hatte die Fahrt zusammengekauert am Boden des Boots zugebracht. Wann immer jemand ihn unmittelbar anblickte, hatte Meelusk ein eiferndes, serviles Grinsen aufgesetzt, das in eine bösartige Grimasse überging, sobald er glaubte, daß ihn niemand beobachtete.
Jetzt kam er über den Sand gestampft. Sonds Lampe sowie Pukahs von Wasser durchtränkten Schlangenbeschwörerkorb hatte er an seine Brust gedrückt.
»Ich traue dir nicht, du schwarzbärtiger Dämon«, rief Meelusk, die glitzernden Augen auf Khardan geheftet. »Die Frau bei dir ist eine Teufelin, und ich weiß nicht, was du bist, rothaarige Mißgeburt!« Der Blick huschte zu Mathew hinüber. »Aber ob du Teufelin sein magst oder männlicher Dämon, ich werde dich schon bald los sein! Ich werde euch alle schon bald los sein!«
Das waren zwar starke Worte, doch die Dschinnen Sond und Pukah verblaßten immer mehr, und plötzlich fiel es Meelusk ein sich zu fragen, wer hier eigentlich gerade wen loswurde.
»Kommt zurück!« schrie der kleine Mann und wedelte mit Sonds Lampe in der Luft. »Ich bin euer Gebieter! Ich habe euch aus dem Meer gerettet! Ihr müßt mir gehorchen, und ich befehle euch, hierher zurückzukehren!«
Die Bilder der Dschinnen waberten, dann materialisierten sie sich langsam wieder.
»Wenn man alles bedenkt, hat er recht«, sagte Pukah zu Sond. »Er ist tatsächlich unser Gebieter.«
»Darauf könnt ihr wetten!« sagte Meelusk selbstzufrieden und warf Khardan einen triumphierenden Blick zu.
»Er hat uns wirklich aus dem Meer gerettet. Wir sind ihm die Lehenstreue schuldig«, stimmte Sond zu.
Turbangekleidete Köpfe verneigten sich; die Dschinnen kamen herbei, um sich vor dem kleinen Menschen zu Boden zu werfen.
»Da habt ihr verdammt recht!« Meelusk keckerte. »Und jetzt erhebt euch und hört mir zu.« Er zeigte auf Khardan und seine Gefährten. »Laßt die Nomaden hier am Strand zurück, wo sie verfaulen können. Nehmt ihnen ihr Wasser und das Zelt dort weg.« Im Schutz der Dschinnen fühlte sich Meelusk sicher genug, eine knochige Faust gegen die Nomaden zu schütteln. »Ihr mordenden, hartherzigen Teufel! Ich habe gesehen, wie ihr mich angeschaut und nach meinem Blut gedürstet habt. Ha! Ha! Das wird nicht das einzige sein, wonach ihr noch dürsten werdet.« Meeslusk wandte sich wieder den Dschinnen zu seinen Füßen zu. »Ihr werdet mich jetzt einkleiden wie einen Sultan, dann bringt ihr mir schöne Frauen, dann erschafft ihr mir einen Palast aus Silber und Marmor, mit großen, hohen Mauern, damit mir niemand etwas anhaben kann. Danach geht ihr in mein Dorf. Die Leute dort respektieren mich nicht genug. Aber das werden sie noch lernen! Ja, das werden sie, diese Straßenköter. Wenn wir dort eingetroffen sind, werdet ihr ihre Häuser umtreten, eins nach dem anderen. Und sie in den Boden stampfen! Und sie dann anzünden. Danach werdet ihr mir alles Gold und alle Edelsteine der Welt bringen – he! Was ist denn mit dir los?«
Pukah hatte eine Hand an die Stirn gelegt und rollte die Augen. »Zu viele Befehle, Gebieter.«
»Ah, du bist wohl etwas schwer von Begriff?« fragte Meelusk mit tückischem Grinsen.
»Ja«, sagte Sond ernst, »das ist er.«
»Schöne neue Kleider für meinen Gebieter!« befahl Pukah und klatschte in die Hände.
Im selben Augenblick war Meelusks hagerer Körper von Kopf bis Fuß in einen Kokon aus kostbarster Seide eingehüllt. »He!« rief eine erstickte Stimme aus der Mitte des Kokons. »Ich kann nicht mehr atmen!«
»Juwelen für meinen Gebieter!« befahl Sond und klatschte in die Hände.
Perlen- und Goldketten sowie Edelsteine jeder erdenklichen Farbe fielen vom Himmel herab und legten sich um Meelusks Hals, zerrten ihn mit
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