Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
leiseste Geräusch bemerkte.
»Es ist Meryem, mein Gebieter«, erwiderte die Frau im Flüsterton.
In die dunkelsten Schatten gedrückt, sah Mathew, wie die Zeltklappe sich öffnete. Khardan erschien, zeichnete sich vor dem goldenen Lampenlicht als Umriß ab. »Was tust du da? Es ist unschicklich…«
»Das ist mir gleich!« rief Meryem mit bebender Stimme. »Mir war so erbärmlich zumute! Du weißt ja überhaupt nicht, wie das war! Die Soldaten des Emirs haben mich in der Schlacht gefangengenommen und nach Kich zurückgebracht! Ich fürchtete mich davor, daß sie in mir die Tochter des Sultans wiedererkennen und mich vor den Emir schleppen könnten. Doch das haben sie, Akhran sei Dank, nicht getan!« Sie begann zu schluchzen. »Deine Mutter, Badia, hat für mich gesorgt wie für ihre eigene Tochter. Sie hat nie daran geglaubt, daß du tot seist, und ich habe es auch nicht getan!«
Khardan legte dem Mädchen die Hände auf die bebenden Schultern. »Jetzt ist doch alles in Ordnung.« Der Kalif hielt inne, seine Finger verwoben sich mit dem seidenen Schleier. »Wenn meine Mutter in Gefangenschaft ist, wie kommt es, daß du nicht auch dort bist?«
Die Frage war wie beiläufig gestellt. Doch Mathew spürte die leichte Anspannung darin, und Hoffnung durchschoß ihn.
»Ich konnte fliehen«, sagte Meryem, schluckte ihre Tränen herunter und sah bewundernd zu dem Kalifen auf. »Ich bin zu dir geeilt, so schnell ich konnte.«
Die Antwort schien Khardan zu befriedigen, jedenfalls lächelte er liebevoll. Mathew knirschte mit den Zähnen. Siehst du denn nicht, daß sie lügt? Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, aus seinem Versteck hervorzustürzen und den Mann endlich wachzurütteln.
»Laß uns zusammen glücklich sein, meine Liebe!« fuhr Meryem fort, wobei sie nähertrat und ihm streichelnd die Hände auf die Brust legte. »Ich will nicht solange warten, bis wir verheiratet sind. Die Gefahr ist so nah.« Sie schmiegte sich in seine Arme. »Wer weiß, wie lange wir noch füreinander haben?«
Khardan lächelte sie an, als er Meryem in sein Zelt zog.
Die Wut packte Mathew, Wut, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.
»Beim Promenthas, ich werde ihr den Attentatsversuch auf Zohra vorwerfen! Soll sie ihn doch vor Khardan leugnen, wenn sie kann! Und wenn ich schon dabei bin, werde ich ihn auch an das kleine Silberamulett erinnern, das sie ihm um den Hals gehängt hat!«
Ohne darüber nachzudenken, wobei er wohl stören mochte, rannte Mathew zu dem Zelt hinüber. Die Klappe war noch offen; Khardan schien so sehr von Leidenschaft gepackt zu sein, daß er vergessen hatte, sie zu schließen.
Mathew schlüpfte lautlos ins Zelt. Im grellen Lampenlicht blinzelnd, wartete er ungeduldig darauf, daß sie seine Anwesenheit zur Kenntnis nahmen. Keiner der beiden tat es. Khardan hatte Mathew den Rücken zugekehrt, der Kalif schien voll damit beschäftigt zu sein, weiches Fleisch zu küssen. Meryems Arme lagen um Khardans Hals. Sie hatte die Augen geschlossen und stöhnte vor Verzückung. Keiner der beiden bemerkte den jungen Mann.
Errötend vor Scham wollte Mathew wieder hinausschlüpfen, aber da fielen ihm Meryems Hände auf: Die Haut leuchtete weiß im Licht der Lampe. Anstatt den Kalifen zu streicheln, taten diese Hände etwas höchst Seltsames: Zarte Finger schlossen sich um den Stein eines Rings an ihrer Hand und drehten ihn geschickt. Eine Nadel schoß hervor, glitzerte auf, um dann wieder im Schatten zu verschwinden, als Meryem langsam und zielstrebig den Ring auf Khardans nackten Hals zuführte.
Mathew hatte schon Ringe von Attentätern gesehen. Er wußte, daß Khardan binnen weniger Augenblicke tot sein oder im Sterben liegen würde. Die Waffen des Kalifen lagen auf einer Holztruhe am Fuß seines Betts. Mathew machte einen Satz nach vorn, packte den Dolch, und im selben Augenblick stieß der junge Hexer, ohne zu bemerken, daß sich Khardans Hand im selben Augenblick um Meryems Handgelenk schloß, der Frau das Messer in den Rücken.
Ein wimmernder Schrei betäubte ihn. Er fühlte, wie sich Meryems Leib versteifte. Warmes Blut troff über seine Hand. Der Körper zuckte gräßlich im Todeskampf und sackte gegen ihn. Entsetzt sprang Mathew zurück, und Meryem stürzte zu Boden. Sie lag auf dem Rücken, blaue, glasige Augen starrten zu ihm auf.
»Mein Gott!« flüsterte Mathew. Das blutbefleckte Messer fiel aus seiner schlaffen Hand.
Ein Schatten schlüpfte ins Zelt. Er hielt inne, schwenkte den Blick von Mathew zu
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